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Dante Valentine 03 - Feuertaufe

Dante Valentine 03 - Feuertaufe

Titel: Dante Valentine 03 - Feuertaufe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lilith Saintcrow
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keine Treppe mehr hinauf. Der steinerne Fußboden war durch Jahrhunderte währenden Gebrauch ganz abgenutzt. Der ehemalige Mittelgang zum Altar war noch erkennbar, und wo die Steine dunkler waren, mussten früher die Bankreihen gewesen sein. Auf der Empore standen dicke weiße Kerzen in Haltern aller möglichen Größe und Form. Ich hörte ein leises Schwirren, und es landete auf dem Boden.
    Ich sage es, weil es seltsam geschlechtslos war. Luzifer hat seine ganz eigene Ausprägung von androgyner Schönheit, die dennoch durch und durch männlich ist. Diesem Wesen fehlte jedoch die glasklare Schärfe der goldenen Makellosigkeit des Teufels. Es war blass und hatte platinfarbenes Haar, farblose, geschwungene Augenbrauen und schmale, nackte Schultern. Es trug eine lange weiße Seidenweste, und unter einer weiten, flatternden Hose waren wohlgeformte nackte Füße zu sehen. Die Farbe seiner Augen war verwaschen, doch sie leuchteten in einem Blau, das mich an den Winterhimmel in einigen Teilen der russischen Putchkin-Allianz erinnerte, wenn an sonnigen Tagen der schneidende Wind über den Permafrost pfeift und auch durch den wärmsten Kunstpelz dringt. Das Blau war so intensiv und unergründlich wie kalt. Sein Antlitz hätte jeden gengespleißten Holovid-Star vor Neid erblassen lassen.
    Japhrimel blieb stehen. Ich hätte mich gern umgeschaut, um für den Notfall Fluchtwege auszukundschaften, aber das Geschöpf blickte mich direkt an. Seine Flügel raschelten.
    Habe ich die Flügel schon erwähnt? Sie waren viel größer als das Wesen selbst, das sogar Japhrimel um eineinhalb Köpfe überragte. Sie waren weiß, hatten Federn und sahen aus wie die Schwingen eines Geiers. Ich muss zugeben, ich starrte es an, wie ein Erstklässler am ersten Schultag die Akademie anstarrt.
    Es musterte uns beide. Sein Mund bewegte sich, und ein leiser Ton erfüllte den Raum. Seine Stimme klang wie Glockengeläut. Die Bedeutung des Gesagten entstand ohne Umweg über die Ohren direkt in meinem Kopf. Wie bei einem Telepathen der Kategorie 5.
    Ich grüße dich, Avarik A’nankimel, und deine Braut.
    „Ich grüße dich ebenfalls, Anhelikos Kos Rafelos.“ Japhrimel sprach merikanisch, wahrscheinlich mir zuliebe.
    Das geflügelte Wesen ließ mich nicht aus den Augen. An seiner Seite hing ein schmales Schwert. Wer würde denn gegen diese Kreatur kämpfen wollen? Sie war groß, aber sehr schlank und wirkte beinahe zerbrechlich. „Ich hoffe, deine Schwingen haben nichts an Kraft verloren.“
    Noch nicht. Das Gleiche gilt hoffentlich auch für dich, Sippenmörder. Du bist nicht der erste deiner Art, der in letzter Zeit zu mir gekommen ist. Der glockenartige Ton schwebte durch meinen Kopf und löste eine gewisse Mattigkeit aus.
    „Ach.“ Japhrimel legte den Kopf auf die Seite. Ich riss meinen Blick von dem Anhelikos los. Das Kerzenlicht erhellte Japhrimels Gesicht. Allmählich fühlte ich mich etwas wirr. „So etwas habe ich mir schon fast gedacht. Der Schatz ist also nicht mehr in deiner Obhut?“
    Das Wesen hüllte sich wieder in seine Flügel. Weiche weiße Federn wirbelten durch die Luft, die duftige Brise wehte mir durch Hemd und Haar. Der Schatz ist nicht mehr in meiner Obhut – allerdings nicht aus dem Grund, den du andeutest. Er hat den alten Weg zum Dach der Welt genommen, so wie es zwischen deinem Fürsten und meiner Art vereinbart war. Wie hast du nach dem Fall deinen Stolz wiedererlangt? Du scheinst keineswegs geschwächt.
    Diese Frage würdigte Japhrimel keiner Antwort. „Wer war sonst noch hier, Rafelos?“ Sein Tonfall wirkte grob und abgehackt im Vergleich zur melodiösen Stimme des Anhelikos. Grob, aber irgendwie auch reiner. Ich runzelte die Stirn und versuchte herauszufinden, wie ich mich eigentlich fühlte. Entspannt, sehr entspannt … aber auch beunruhigt. Zutiefst verstört. Wie eine Fliege, die verzweifelt versucht, sich aus einem Spinnennetz loszureißen, und dabei immer müder wird.
    Mühsam verbannte ich dieses Bild aus meinem Kopf.
    Ich kann euch kaum auseinanderhalten, Sippenmörder. Aber dieser spezielle Vertreter jagte den A’nankimel und seine Bräute. Ich kenne ihn vom Fall der Weißen Festung her, bei dem die Gefallenen in alle Winde zerstreut wurden. Jetzt sah die Kreatur wieder mich an. Ich kam mir vor wie im Alkoholrausch. So trunken hatte ich mich bislang nur einmal gefühlt, als ich während der Jagd auf Kellerman Lourdes eine zu Tode erschrockene Sexhexe verhört hatte. Strömte dieses Wesen Pheromone aus, die

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