Dark Academy 01 - Geheimer Pakt

Marke, die sie nicht aussprechen konnte. Cassie grinste. Der Stoff raschelte, als sie das Kleid auf ihr Bett legte. Sie drehte sich zu Isabella um, aber die schlief weiter. Cassie betrachtete sie voller Zuneigung. Seit den Ereignissen im Triumphbogen vor zwei Wochen hatte Cassie keine einzige Nacht mehr durchgeschlafen. Aber ihre Mitbewohnerin hatte sich von ihren nächtlichen Wandertouren durch ihr Zimmer nie stören lassen. Der Schlaf der Gerechten.
    Cassie strich über das wunderschön geschnittene Kleid. Es fühlte sich kühl, kostbar und glatt an: Alles, was sie nicht war. Sie konnte sich nicht vorstellen, es zu tragen, aber vielleicht war es fabelhaft genug, um ihren Mangel an Selbstbewusstsein zu übertünchen. War der Taft grüngelb oder gelbgrün? Sie konnte sich nicht entscheiden. Isabella fand, die Farbe passe zu ihren Augen.
    Eine Schande nur, dass sie keinen Partner für den Ball hatte. Nicht einmal Richard konnte sie mehr benutzen, dachte sie schuldbewusst. Er hatte sie gemieden wie einen Virus. Einen ansteckenden, tödlichen Virus. Tatsächlich hatte er kaum mit irgendjemandem gesprochen, seit er in Sir Alrics Büro gerufen worden war, am Tag nach der Zeremonie am Triumphbogen. Gott allein wusste, was Sir Alric ihm gesagt hatte. Jedenfalls war Richard danach schweigsam gewesen und hatte einen beschämten und ein wenig grollenden Eindruck gemacht. Er war nicht er selbst.
    Ha. Nicht er selbst: So viel stand fest. Und das Gleiche galt natürlich für sie.
    Richard war mit einem blauen Auge davongekommen, ebenso wie die anderen Auserwählten. Verglichen mit ihrer Anführerin hatten sie noch einmal Glück gehabt. Von dem von Bäumen beschatteten Säulengang aus hatte Cassie Katerinas eleganten Abschied von der Dark Academy beobachtet, gerade einmal vierundzwanzig Stunden, nachdem sie in Gestalt eines Ungeheuers vor ihnen geflohen war. Die blonde Schönheit war hocherhobenen Hauptes die Treppen hinunterstolziert. Haut und Haar hatten wie bei einer normalen Schulballkönigin geglänzt. Sie hatte eine große Sonnenbrille getragen und blutroten Lippenstift, und auf ihren Wangenknochen hatte eine brandneue, diagonale Narbe geprangt. Diese, dachte Cassie, war zwar bemerkenswert schnell verheilt, aber sie würde sie nie mehr ganz loswerden. Wie fühlte sich die makellose Hitchcock-Blondine?, fragte sie sich. Wegen der Narbe, der Schande, des Schulverweises? War sie voller Bedauern? Nicht sehr wahrscheinlich. Voller Rachegelüste?
    Sir Alric hatte oben an der Treppe gestanden und Katerina nachgeschaut, bis sie anmutig in die schwarze Limousine gestiegen war und der Chauffeur die Tür geschlossen hatte. Dann hatte er sich umgedreht und sein Blick hatte Cassies Blick aufgefangen, nur für einen Moment.
    Sie war sicher, dass er geschaudert hatte.
    Zwei Wochen lang hatte Cassie ängstlich darauf gewartet, ebenfalls in sein Büro gerufen zu werden. Aber das war nie passiert. Dark schien ihr beinahe genauso eifrig aus dem Weg zu gehen, wie Richard es tat. Doch heute Abend würden sie ihr nicht aus dem Weg gehen. Heute fand der Weihnachtsball statt. Und alle mussten dort erscheinen, auch wenn ihnen nicht mehr danach zumute war.
    Trotz der jüngsten Ereignisse summte die ganze Schule vor gedämpfter Erregung. Sie selbst empfand nichts Dergleichen. Die Vorbereitungen, die Pläne, der Tratsch und die Erwartung: Nichts davon bedeutete ihr etwas. Sie war fertig mit der Dark Academy. Und die Dark Academy war fertig mit ihr. Den rätselhaften Gründer der Akademie würde sie nicht wiedersehen. Er überließ es Cassie, sich allein einen Reim auf diesen Schlamassel zu machen, so viel war klar. Sie war eine Peinlichkeit, ein Versehen, ein übler Unfall, den ihm einige seiner undisziplinierten Favoriten aufgehalst hatten. Wahrscheinlich konnte Sir Alric Dark es kaum erwarten, sie von hinten zu sehen. Egal, Cassie kümmerte das nicht. Sie hatte Angst, war besorgt und verwirrt, aber es kümmerte sie nicht.
    Sie hatte eine Menge gelernt. Sie würde in ihr altes Leben zurückkehren und überleben. Das hatte sie immer getan. In der Zwischenzeit konnte sie geradeso gut auch feiern.
    Das Mauerblümchen der Schule, dachte Cassie kläglich. Was für eine Art, ihre alles andere als glamouröse Karriere in der Dark Academy zu beenden. Zumindest war die Atmosphäre ohne Katerina und Keiko erheblich entspannter. Die Band war gut, die Schüler waren wie am Ende jeden Trimesters überschäumend guter Laune und die Lehrer plauderten miteinander und