Dark Bd. 1 - Prinz der Dunkelheit
seiner Nase gekostet.
»Bist hübsch hässlich, was?«, fragte ich.
Er entdeckte auch das Messer in meinem Stiefel.
Ich hatte keinen Plan. Der Schmerz in meinem Kopf ließ keinen Platz dafür. Ich hatte die wortlose Stimme ignoriert, von der ich mich so lange hatte leiten lassen. Ich hatte sie ignoriert und es vorgezogen, stur zu sein, und jetzt war ich hier unter zu vielen Feinden, dumm und allein.
Ich überlegte, ob mich mein Bruder William beobachtete. Meine Mutter sah mich hoffentlich nicht.
Ich überlegte auch, ob ich sterben würde. Ob sie mich verbrennen würden oder mich verstümmelt zurückließen, damit Pater Gomst mich zur Hohen Burg karrte.
»Jeder hat so seine Zweifel«, sagte ich, als Narbengesicht seine Suche beendete. »Selbst Jesus hatte seinen Moment, und ich bin nicht er.«
Der Mann sah mich an, als sei ich verrückt. Vielleicht war ich das, aber ich hatte meinen Frieden gefunden. Der Kopfschmerz verließ mich, und ich sah die Dinge wieder klar.
Sie führten mich dorthin, wo Marclos auf seinem Pferd saß, einem monströsen Hengst, der mindestens zwanzig Handbreit groß war. Er hob sein Visier und zeigte ein freundliches Gesicht, vielleicht ein wenig zu dick in den Wangen, ansonsten aber recht nett. Das Aussehen kann natürlich täuschen.
»Wer zum Teufel bist du?«, fragte er.
Er trug eine hübsche Rüstung, geätzt, mit silbernen Intarsien und so gut poliert, dass sie selbst bei wenig Licht glänzte.
»Ich habe dich gefragt, wer zum Teufel du bist?« Seine Wangen röteten sich ein bisschen, und da sah er nicht mehr so nett aus. »Du wirst im Feuer singen, Junge, also kannst du mir genauso gut jetzt antworten.«
Ich beugte mich vor, wie um ihn besser hören zu können. Die Leibwächter wollten mich festhalten, aber ich zog den alten Schütteln-und-Drehen-Trick ab. Trotz meiner Rüstung waren sie zu langsam für mich. Ich benutzte Marclos Fuß im Steigbügel als Trittbrett und war in null Komma nichts neben ihm. Er trug ein hübsches Stilett in einer Scheide am Sattel, und ich nahm’s und stieß es ihm ins Auge. Dann ritten wir beide los. Wir galoppierten über die Marktwiese, wir zwei. Wie man ein Pferd stiehlt, gehört zu den ersten Dingen, die man auf der Straße lernt.
Und so ritten wir, Marclos heulend und zitternd hinter mir.
Zwei Haussoldaten versuchten, uns den Weg zu versperren, aber ich ritt sie einfach über den Haufen. Sie würden nicht wieder aufstehen – der Hengst war wirklich beängstigend groß. Die Bogenschützen legten vielleicht auf uns an, aber aus so großer Entfernung konnten sie uns nicht richtig auseinander halten, und so ritten wir in den Ort.
Ich hörte, wie uns die Leibwächter folgten, und es klang, als gerieten auch einige Männer unter die Hufe ihrer Pferde. Sie holten auf, aber wir hatten sie überrascht, Marclos und ich, und deshalb einen Vorsprung. Als wir den Rand von Norwood erreichten, kamen sie nahe heran.
Beim ersten Gebäude riss ich den Hengst zur Seite, und Marclos war so freundlich, vom Pferd zu fallen. Mit dem Gesicht voran prallte er auf den Boden. Noch jemand, der nicht wieder aufstehen würde. Es fühlte sich gut an, das will ich nicht leugnen. Ich stellte mir vor, wie der Graf die Nachricht beim Frühstück erhielt. Und ich fragte mich, wie es ihm schmecken mochte. Würde er seine Eier aufessen?
»Männer von Renar!«, rief ich so laut, dass mir die Lunge schmerzte. »Dieser Ort steht unter dem Schutz des Prinzen von Ankrath. Er wird nicht kapitulieren.«
Ich drehte den Hengst erneut und ritt weiter. Einige Pfeile klapperten hinter mir. Bei den Stufen des Bürgermeisterhauses hielt ich an und stieg ab.
»Du bist zurückgekehrt …«, brachte Pater Gomst verwirrt hervor.
»Das bin ich«, bestätigte ich und wandte mich an Elban. »Jetzt gibt es keinen Rückzug mehr, nicht wahr, Bruder?«
»Du bist verrückt.« Die Worte kamen als Flüstern. Aus irgendeinem Grund lispelte Elban nicht, wenn er flüsterte.
Die Reiter, Marclos’ persönliche Garde, bildeten die Spitze des Angriffs. Zusammen mit fünfzig Fußsoldaten fanden sie genug Mut. Die zwei Dutzend Haussoldaten auf dem Kamm nahmen sich ein Beispiel daran und liefen über den Hang. Die Bogenschützen kamen aus dem Dickicht am Fluss, um besser zielen zu können.
»Diese Mistkerle verbrennen euch bei lebendigem Leib, wenn sie euch erwischen«, sagte ich zu den fünf Brüdern, die ich bei mir hatte. Dann zögerte ich und sah jedem von ihnen in die Augen. »Aber sie wollen nicht
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