Dark Bd. 1 - Prinz der Dunkelheit
ein Kind vor einer gewaltigen Meereswelle. Heißer Wind hob mich an. Ich fühlte, wie der Tod durch mich strömte, und schmeckte erneut die bittere Galle des Nekromantenbluts.
Eine Zeit lang schwebte ich, wie Rauch über einem Gemetzel.
Ich lag in nichts. Ich wusste nichts. Ein Frieden tiefer als Schlaf, bis …
»Oh! Bravo!« Die Stimme schnitt in meinen Geist, war sehr nahe und klang irgendwie vertraut. »So hat dieser verlorene Sohn den Winter unseres Hundertkriegs in grässlichen Sommer verwandelt.« Die Stimme hatte einen seltsamen Rhythmus, und fremde Akzente lagen in ihr.
»Du verschandelst Shakespeare noch schlimmer als seine Muttersprache, Sarazen.« Das war die Stimme einer Frau, samten und voll.
Lauf einfach.
»Er hat eine Erbauer-Sonne geweckt, und du machst Witze?« Ein Kind, ein Mädchen.
»Bist du noch nicht tot, Kind? Obwohl der Berg auf dich fiel?« Die Frau klang enttäuscht.
»Vergiss das Kind, Chella. Sag mir, wer hinter diesem Jungen steht. Hat Corion genug von Graf Renar und eine neue Figur aufs Spielbrett gesetzt? Oder hat die Stille Schwester ihren Zug gemacht?«
Sageous! Ihn erkannte ich.
»Glaubt sie, das Spiel mit diesem Halbwüchsigen gewinnen zu können?« Die Frau lachte.
Und sie kannte ich ebenfalls. Die Nekromantin.
»Ich habe dich zur Hölle geschickt, mit dem Bolzen aus der Armbrust des Nubiers in deinem Herzen«, sagte ich.
»Was bei Kalis Na …«
»Er hört uns?« Sie unterbrach ihn, Chella, ich kannte ihre Stimme. Die einzige Leiche, die mir jemals eine Erektion beschert hatte.
Ich suchte nach ihnen, dort im Rauch.
»Nein, das ist unmöglich«, sagte Sageous. »Wer steht hinter dir, Junge?«
Ich fand nichts in dem blinden Wogen, das mich umgab.
»Jorg?« Ein Flüstern an meinem Ohr. Wieder das Mädchen. Das leuchtende Kind der Ungeheuer.
»Jane?« Ich sprach ebenfalls ganz leise, oder glaubte es zumindest. Allerdings konnte ich nicht fühlen, wie sich meine Lippen – oder andere Teile meines Körpers – bewegten.
»Der Äther verbirgt uns nicht«, sagte Jane. »Wir sind der Äther.«
Ich dachte kurz darüber nach. »Lasst mich euch sehen.«
Ich konzentrierte meine Willenskraft darauf. »Lasst mich euch sehen.« Lauter diesmal. Und ich malte ihre Bilder in den Rauch.
Chella erschien zuerst, schlank und reizvoll wie bei unserer ersten Begegnung, halb von ätherischen Nebelstreifen umhüllt. Dann kam Sageous. Er beobachtete mich mit seinen so täuschend sanft blickenden Augen, größer und ruhiger als Mühlteiche – mein Wille schnitt seine Gestalt aus dem Nichts. Jane trat neben ihn, mit schwachem Glühen, ihr Licht nicht mehr als ein Glimmen unter der Haut. Es gab noch andere, Schemen im Dunst, einer dunkler als die anderen, die Umrisse halb vertraut. Erneut nahm ich meine Willenskraft zusammen und versuchte, ihn zu erkennen. Der Nubier fiel mir ein, meine Hand an einer Tür, das Gefühl, ins Leere zu fallen. Deja-vu. »Wer gibt dir diese Kraft, Jorg?« Chella lächelte verführerisch und trat um mich herum, ein Panther, der mit seinem Opfer spielte.
»Ich habe sie mir genommen.«
»Nein.« Sageous schüttelte den Kopf. »Das Spiel ist zu alt für Tricks und Schwindel. Alle Spieler sind bekannt. Und die Beobachter ebenfalls.« Er nickte Jane zu.
Ich schenkte ihm keine Beachtung und hielt den Blick auf Chella gerichtet. »Ich habe den Berg auf dich herabstürzen lassen.«
»Und ich bin begraben. Na und?« Etwas von ihrem wahren Alter erklang in der Stimme.
»Bete, dass ich dich nie ausgrabe«, sagte ich.
Ich sah Jane an. »Bist du ebenfalls begraben?«
Für einen Moment flackerte ihr Glühen, und eine andere Jane nahm ihren Platz ein, eine zerbrochene. Eine Flickenpuppe, an einem dunklen Ort, wo das einzige Licht von ihr selbst stammte, zwischen Felssplittern gehalten. Knochen ragten aus Hüfte und Schulter, auffallend weiß und voller Blut, das in der Düsternis schwarz wirkte. Sie drehte ansatzweise den Kopf, und der Blick ihrer silbrigen Augen begegnete meinem. Das Flackern wiederholte sich, und sie stand wieder vor mir, frei und unverletzt.
»Ich verstehe nicht.« Aber ich verstand.
»Arme kleine Jane.« Chella ging um das Mädchen herum, kam ihm aber nicht zu nahe.
»Sie wird sauber sterben«, sagte ich. »Sie fürchtet das Ende nicht. Sie wird den Weg nehmen, vor dem ihr solche Angst habt. An Aasfleisch festzuhalten und tief in der Erde zu verfaulen, daran lässt euch Feigheit festhalten.«
Chella fauchte, das Gesicht voller Gift, in der
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