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Dark Bd. 1 - Prinz der Dunkelheit

Titel: Dark Bd. 1 - Prinz der Dunkelheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mark Lawrence
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breite Schneise des Todes, die der Wind von der Roten Burg ausgehend schuf, weist deutlich darauf hin, dass die drastische Verkleinerung meines ursprünglichen Plans die Welt vor einem ziemlich unangenehmen Ende bewahrte – oder das Ende zumindest hinauszögerte.

 
35
     
    »Inzwischen hätten wir etwas sehen sollen«, sagte Makin.
    Ich schaute über die Schulter zurück. Die hässliche Masse des Honasbergs streckte dem Himmel eine schwarze Faust entgegen, in der die Rote Burg ruhte. Hinter uns stapften die Brüder, eine Linie aus Vagabunden, die sich den Hang hinunter mühten.
    »Dieser Tod wandert langsam, Makin«, sagte ich. »Eine unsichtbare Hand mit fatalen Fingern.« Ich lächelte.
    »Mit tödlichen Fingern, die jeden Säugling in seiner Krippe finden?« Makin presste voller Abscheu die Lippen zusammen.
    »Würdest du sie lieber von Rike finden lassen, oder von Row?«, fragte ich und legte ihm die Hand auf die Schulter, Panzerhandschuh auf Rüstungsplatte, beides mit grauem Dreck aus dem Fluchttunnel beschmiert. Er hatte das Zeug auch in seinem Haar; es trocknete auf den schwarzen Locken.
    »Du scheinst in letzter Zeit besorgt zu sein, alter Freund«, sagte ich. »Sind die vergangenen Sünden so schwer, dass du ihnen keine weiteren hinzufügen möchtest?«
    Ich stellte fest, dass wir fast gleich groß waren, obwohl Makin zu den größeren Männern zählte. Noch ein Jahr, und er würde zu mir hochsehen müssen.
    »Manchmal machst du selbst mir was vor, so gut bist du, Jorg.« Er klang müde. Ich sah das Netz aus dünnen Falten in seinen Augenwinkeln. »Wir sind keine alten Freunde. Vor etwas mehr als drei Jahren bist du gerade mal zehn gewesen. Zehn! Vielleicht sind wir Freunde, ich weiß es nicht, aber ›alte‹?Nein.«
    »Und worin bin ich so gut?«, fragte ich.
    Er zuckte die Schultern. »Darin, in eine Rolle zu schlüpfen. Mit deiner Intuition fehlende Jahre zu ersetzen. Mangelnde Erfahrung mit Einfallsreichtum wettzumachen.«
    »Du glaubst, ich müsste alt sein, um mit einem alten Kopf zu denken?«, fragte ich.
    »Ich glaube, du müsstest länger gelebt haben, um das Herz eines Mannes wirklich zu verstehen. Du müsstest mehr Geschäfte in deinem Leben gemacht haben, um den Wert des Geldes, das du so unbekümmert ausgibst, besser zu schätzen.« Makin drehte sich um und beobachtete, wie die Brüder langsam zu uns aufschlossen.
    Ganz hinten kam Rike in Sicht, als er eine Anhöhe erklomm, eine dunkle Silhouette vor dem dämmerungsblassen Himmel. Die Wolken hinter ihm bildeten Streifen, das schmutzige Violett eines frischen Blutergusses, und streckten sich gen Westen. Verbände an Rikes Oberarm und an der Stirn flatterten im Wind.
    Etwas kitzelte mich, der Hauch eines Flüsterns, kälter als der Wind.
    Makin wollte weitergehen.
    »Warte …«
    Schreie. Das Entsetzen jener, die bereits tot waren.
    Es ertönte kein Geräusch, aber der Berg Honas hob sich, wie ein Riese, der Atem holte. Ein Licht erwachte unter den Felsen, ein Gleißen blutete durch breiter werdende Risse. In nur einem Moment verschwand der Berg, in einer höllischen Spirale gen Himmel geschleudert. Und irgendwo in diesem Wirbel befand sich jeder Stein der Roten Burg, vom tiefsten Kellergewölbe bis zum höchsten Turm.
    Ein Leuchten überstrahlte alles, nahm dem Land die Farben und tauchte die Welt in blendendes Weiß. Rike wurde zu einem dunklen Flackern vor dem grellen Himmel. Ich fühlte den heißen Kuss des fernen Feuers, wie ein Sonnenbrand auf den Wangen.
    Was so hell brennt, kann nicht von langer Dauer sein. Das Licht verblasste und ließ uns im Schatten, in jener Art von Düsternis, die einem Sturm vorausgeht. Ich sah seine Vorreiter, neugeborene Geister, die vor seinem Zorn flohen. Ich beobachtete, wie sie übers Land huschten, wie die Welle, die von einem ins Wasser geworfenen Stein ausgeht, ein grauer Ring, der Fels in Staub verschwinden ließ, schnell wie meine Gedanken. Auch der Himmel kräuselte sich, und aus den Wolkenstreifen wurden Peitschen für den Donner.
    »Heiliger Jesus.« Makin stand mit offenem Mund da und schien alle Worte verloren zu haben.
    »Lauft!« Burlows Ruf klang seltsam gedämpft.
    »Warum?« Ich breitete die Arme aus und hieß die Zerstörung willkommen. Wohin sollten wir laufen?
    Ich beobachtete, wie die Brüder fielen. Die Zeit dehnte sich, und das Blut floss kalt in meinen Adern. Zwischen zwei Herzschlägen riss es uns alle von den Beinen, Rike als Ersten – er verlor sich im grauen Mahlstrom, war wie

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