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dark canopy

Titel: dark canopy Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jennifer Benkau
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glühte, meine Kopfhaut prickelte und meine Hand pochte. Ich konnte mich nicht mehr an meinen Traum erinnern, nur noch an Angst, große Angst.
    Durch ein eigenartiges Säuseln und Rauschen vernahm ich, wie irgendwer sagte: »Ja, ich auch«, und wieder musste ich kurz überlegen, bis ich darauf kam, dass es Neél gewesen sein musste, denn außer uns war niemand da.
    »Du hast auch geträumt?« Ich gluckste, weil ich die Vorstellung so absurd fand. »Ihr träumt?«
    »Ständig«, antwortete er und nun kicherte ich los. Das war verrückt. Percents träumten nicht. So hieß es. Wie kam es, dass er, der Percent, immer träumte, während ich das fast nie tat.
    »Vielleicht sind Träume ansteckend«, meinte er. Hatte ich vielleicht laut gedacht? »Wenn ich ihn ausgeatmet habe, den Traum, dann ist es nur logisch, dass du ihn wieder eingeatmet hast.«
    Ich musste mich konzentrieren, um zu sprechen. »Man atmet keine Träume ein oder aus.«
    »Wenn man im Traum redet, dann schon.«
    Das Lachen verging mir. Mein Kopf war heiß, meine Hand war heiß und meine Brust war eisig kalt. Etwas stimmte nicht. Ich zog die Decke höher. »Habe ich denn geredet?«
    »Ich weiß es nicht. Aber ich habe bestimmt geredet. Ich rede immer im Schlaf.«
    Ich musste an das Stofftuch denken, das er sich jeden Abend in den Mund stopfte, und verstand plötzlich den Sinn. Es hatte verhindern sollen, dass er im Schlaf Dinge sagte, die ich nicht erfahren durfte. Ich glaubte, den Stoff in meinem ausgedörrten Mund zu schmecken; Staub und Seife. Ich wollte aufstehen, um einen Schluck Wasser zu trinken, aber schon als ich den Kopf hob, spürte ich, dass mich etwas zurückhielt. Meine Arme und Beine wurden heiß und kalt und schwer und gehorchten mir nicht länger. Mein Kopf schwirrte und die Dunkelheit drehte sich. Selbst mit geschlossenen Augen drehte sich alles, wirbelte herum und machte mich ganz verrückt. Wenn ich blinzelte, war es, als wären meine Lider wund und voller Sand. Mein Herz flatterte auf einmal und ich hatte Angst, es würde nicht mehr genug Blut in mein Gehirn pumpen. Zugleich fühlte es sich an, als wäre mein Gehirn voll von Blut. Es rauschte in meinen Ohren, drückte gegen meine Augäpfel und wurde immer mehr und mehr.
    Du bist krank, erfasste ein letzter funktionierender Teil in meinem Kopf. Fieber. Ziemlich hoch offenbar. Es war wie damals, als die Mutprobe lautete, die Beeren der Belladonna zu essen, und ich die Mutigste von uns gewesen war. Oder die Blödeste, wie Amber meinte.
    Neél sagte noch etwas, das ich nicht verstand. Ich zertrat meinen Stolz und wollte ihn um Hilfe bitten, aber die Müdigkeit war stärker und zerrte mich in den Schlaf.
    Vielleicht war es auch eine Ohnmacht.
    • • •
    Meine Hand lag in geschmolzenem Eisen.
    Der Zwang zu schreien weckte mich auf. Es brannte - es brannte so schrecklich! Ich warf den Kopf herum, zappelte und versuchte, um mein Leben zu brüllen. Etwas hielt mich fest und presste mir den Mund zu. Ich hörte Stimmen wie durch ein Kissen.
    Versuchte er, mich zu ersticken? Diesmal endgültig?
    Wellen aus Schmerz jagten durch meine Hand, fraßen sich durch meinen Arm und packten meinen ganzen Körper.
    »Genug!«, sagte irgendwer. Dann kam die Stimme ganz nah zu mir. »Ich lasse dich jetzt los, Joy. Du darfst nicht schreien, hast du das verstanden? Sie dürfen dich nicht hören.«
    Der Druck auf meinen Mund gab nach. Ich presste die Lippen zusammen, sie waren ausgetrocknet und von Rissen durchzogen.
    »Hörst du mich, Joy?«
    Ich wollte antworten, aber es kam nur ein Wimmern.
    »Du bist ein dummes Mädchen«, sagte die Stimme. War das Neél? Ich blinzelte und glaubte, ihn zu erkennen. »Deine Hand hat sich entzündet, du hast eine Sepsis.«
    Was sollte das sein? Ich konnte nicht nachfragen, aber mein Stöhnen reichte offenbar aus, denn eine zweite, viel hellere Stimme mischte sich ein.
    »Das ist eine bakterielle Vergiftung deines Blutes. Sie kam durch den Biss in deine Hand.«
    Meine Hand? Ja, richtig, meine Hand. Sie fühlte sich an wie gut durchgekocht. Ich versuchte, sie an den Körper zu ziehen, aber sie wurde festgehalten.
    »Nicht«, bat Neél. »Mina muss die Wunde heiß ausspülen. Das tut weh, ist aber nötig.«
    »Mit Malvenaufguss und einem Mittel, das die Bakterien tötet«, sagte sie. »Die Apotheker nennen es Antibiotikum. Sie gewinnen es aus Schimmelsporen, das ist mir zwar alles andere als geheuer, aber die Ergebnisse sind wirklich gut. Du hast Glück gehabt, nach dem Krieg gab

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