dark canopy
dunkle, ein paar zerbrochene und wenige beleuchtete Fenster.
»Musik«, antwortete Neél. »Kennst du das nicht?«
Es war Flötenmusik - die Erinnerung an den kleinen Matches-Bruder, der noch wenige Stunden vor seinem Tod so hingebungsvoll auf der Flöte gespielt hatte, legte eine Klemme um meinen Brustkorb und drückte mir den Atem ab.
»Hatte ich hier nicht erwartet«, murmelte ich. Meine Augen brannten. Hier, im übelsten Viertel der Stadt, bei den Percents, Musik zu hören, war, als kollidierten zwei Welten. Nichtsdestotrotz lockte mich die Melodie, ein wildes, trudelndes Lied, näher.
»Joy, warte kurz.« Neél fasste nach meinem Oberarm. Es war die gleiche Stelle, an der sich von seinem zerrenden Griff ein blauer Fleck bilden würde, aber diesmal berührte er mich sanft. »Dieser Mann da eben ... du kennst ihn gar nicht. Oder?«
Am liebsten hätte ich ihm ins Gesicht gespuckt. »Meinst du, ich würde jemanden, den ich kenne, in dieser Situation zurücklassen?«
»Keine Ahnung«, erwiderte er mit entnervender Ruhe. »Also weißt du nur, dass er ein Mensch ist.«
»Lass gut sein, Neél.« Ich hatte keine Lust auf die Belehrung, dass der Gefangene möglicherweise ein Kindermörder oder Vergewaltiger war und seine Strafe verdient hatte. Es interessierte mich überhaupt nicht, wer oder was er war. »Er wird zur Schau gestellt, um andere abzuschrecken, das ist mehr, als ich wissen muss, um sicher zu sein, dass es falsch ist.«
Erstaunen spielte in Neéls Augenwinkeln, ich fragte mich, ob es echt war. »Du hättest ihn auch befreien wollen, wenn er ein Percent gewesen wäre?« Nein, es war nicht echt, es war reine Provokation.
»Leck mich, Neél.«
Er fuhr sich herausfordernd langsam mit der Zunge über die Lippen. Ich machte einen Schritt zurück und spuckte auf den Boden.
»Wir gehen lieber«, sagte er und wandte sich ab. Seine Arroganz umgab ihn wie eine zweite Haut. »Und ich wünsche, dass du dich gleich benimmst, ich möchte nicht, dass du nach mir schreist und ich dich retten muss.«
»Bevor ich nach dir schreie, fresse ich Gift!«
»Könnte passieren. Ich wollte dich ohnehin bitten, nichts zu essen oder zu trinken, vor allem nichts, was man dir anbietet.«
Ich zerbiss eine gepfefferte Antwort zwischen den Zähnen, rammte die Fäuste in die Hosentaschen und stapfte hinter ihm her.
Wir durchquerten ein Tor aus hohen, schmalen Holzlatten. Neél flüsterte dem Percent, der es bewachte, etwas zu, dann traten wir auf einen finsteren Innenhof - ein kahles Fleckchen zwischen klobigen Backsteinbauten. Feuchte Mauern umgaben ihn; Wände, an die man nicht zu nah heranwollte, als schwitzten sie etwas Ekelhaftes aus. Als das Tor zufiel, blieb selbst das letzte bisschen Licht draußen. Die Musik war lauter und schriller geworden. Sie schallte aus einem Eingang, den man nur über eine schmale Kellertreppe erreichte.
»Du wirst hierbleiben«, sagte Neél. »Der Club erlaubt keine Menschen. Widden müsste gleich kommen, deine Freundin wird ebenfalls draußen warten.«
Wir mussten im Hof bleiben wie verflohte Köter. Na prächtig. Zumindest würde ich so mit Amber reden können, ohne dass Neél etwas mitbekam.
Neél wies auf eins der niedrigen, mit Gittern verschlossenen Fenster knapp über dem Boden. »Ich setze mich in die Nähe des Fensters, bleib so stehen, dass ich dich sehen kann.«
»Ich hau schon nicht ab«, fauchte ich ihn an.
Er schüttelte den Kopf. »Das war auch nicht meine Befürchtung.« Damit ließ er mich stehen, stieg die Treppen hinab und verschwand in den Eingeweiden des Klotzbaus. Eine schwere Tür knallte zu.
Hinter den Kellerfenstern erkannte ich bloß Schemen, die sich durch Nebelschwaden bewegten. Flackerndes Kerzenlicht beleuchtete den Raum minimal. Ich lehnte mich an das eiserne Geländer am oberen Ende der Treppe und fragte mich, ob Neél mich hier draußen in der Finsternis überhaupt sehen konnte. Ich erkannte drinnen allenfalls Silhouetten und auch die nur, wenn sie sich bewegten. Allerdings hatte ich auch keine Percentaugen.
Das Tor wurde geöffnet, der Wachmann ließ zwei ältere Percents hinein. Ihre Gesichter waren von Dunkelheit maskiert, aber ich spürte ihre Blicke auf mir ruhen. Der eine flüsterte dem Wachmann etwas zu, was dieser verneinte. Die beiden zuckten mit den Schultern, gingen zur Treppe und kamen dabei unnötig nah an mir vorbei. Einer rempelte mich leicht an, grapschte nach mir; als wollte er mich festhalten, damit ich nicht fiel. Ich wusste es besser und
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