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dark canopy

Titel: dark canopy Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jennifer Benkau
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»Ich will dir deine dreckige Führung nicht streitig machen ... Vater. Die Clanführung, die dir so wichtig ist - ich will sie gar nicht. Ich will, dass du es vernünftig machst.«
    »Meine Entscheidung steht«, schnarrte Mars. »Keine Himmelfahrtskommandos, um jemanden zu retten, der nicht mehr zu retten ist.« Er trat näher an Matthial heran, sodass ich ihn wieder sehen konnte. Die beiden starrten sich an. Matthial voll unterdrückter Wut, Mars abfällig. Dann ließ Mars seinen Blick über die anderen schweifen, bedachte mich mit einem kaum wahrnehmbaren Blecken seiner Zähne. Ich erschauderte.
    »Wenn ihr glaubt, dass mein Sohn mehr Sicherheit für eure Ärsche verspricht, dann folgt ihm ruhig. Allerdings müsst ihr eure Clangründung auf später verschieben. Matthial hat nämlich bereits etwas vor.« Er grinste freudlos. »Oder irre ich mich, mein Junge, wenn ich sage, dass du in diesem Augenblick eigentlich auf dem Dach Wache halten solltest? Wen lässt du gerade im Stich und verwehrst ihm seinen Feierabend? Oder ist der Clan schutzlos, weil du lieber über meine Verantwortung diskutierst, statt die deine zu übernehmen?«
    An der Art, wie Matthial den Atem ausstieß, erkannte ich, dass Mars ihn an der Gurgel hatte. Verdammt! Alle Aussichten, Amber zu retten, schienen verloren. Matthial pfiff nach seinem Hund und verließ den Raum ohne ein weiteres Wort. Doch als ich ihm nachsah, legte er für einen Moment die Hand auf den Türrahmen und klopfte mit dem Mittelfinger gegen das Holz. Eins der etlichen geheimen Zeichen, die wir uns als Kinder ausgedacht hatten. Es bedeutete: Folge mir.
    Ich blieb noch eine Weile sitzen, um nicht aufzufallen. Mars kam zu mir und in diesem Moment empfand ich erstmals mehr Wut als Angst. Ich verabscheute die Art, wie er Matthial behandelte. Das hatte er nicht verdient.
    »Gib mir die Blätter, von denen du geredet hast, Joy. Das Papier.«
    Ich hatte nicht die geringste Ahnung, woher ich jetzt noch den Mut nahm, aber ich sagte laut und deutlich: »Nein.« Nein, ein unerschütterliches Nein. Die Papiere gehörten mir, selbst nach seinen eigenen Gesetzen hatte Mars nicht das Recht, sie mir wegzunehmen. Außerdem interessierten mich diese Blätter, denn inzwischen wusste ich, dass das erste eine Landkarte war. Auf dem zweiten befanden sich eine Skizze von einem Wolfskopf und ein Text in einer Sprache, die ich nicht verstand. Ich wollte herausfinden, was diese Aufzeichnungen bedeuteten. Keinesfalls würde ich sie hergeben. Es blieb beim Nein.
    »Hab dich nicht so«, fuhr Mars mich an. »Was willst du schon damit anfangen?«
    Mit aller Kraft hielt ich seinem Blick stand. »Ich könnte mir den Hintern damit abwischen.«
    Irgendjemand im Raum lachte verhalten. Ich bewunderte seinen Mut.
    »Wie du willst«, sagte Mars, wandte sich ab und ging zu Brooke, die mit ihm sprechen wollte, weil das Pferd schon wieder lahmte.
    Danach ließ Mars mich in Ruhe, warf mir aber immer wieder diese unangenehmen Blicke zu. Sie bedeuteten, dass es meine Schuld war, dass ich versagt hatte, und dass er es mir heimzahlen würde, ihn beleidigt zu haben. Ich gab vor, nichts zu bemerken, weil mir keine andere Wahl blieb.
    Niemand redete mit mir. Vermutlich wollte nach der Auseinandersetzung von eben keiner mit mir gesehen werden und für alle, die auf meiner Seite standen - wenn denn jemand auf meiner Seite stand -, war dies auch das Vernünftigste. Der jüngere der Matches-Brüder hatte sein Flötenspiel wieder aufgenommen und die Frauen und Kinder begannen leise zu singen. Die Männer schwiegen. Alle dachten ein letztes Mal an Amber, um sie danach aus ihren Gedanken zu streichen, als hätte es sie nie gegeben.
    Nur ich nicht. Ich dachte an Matthial und daran, dass wir beide versuchen würden, sie zu retten.
    War es nicht Ironie des Schicksals? Am Morgen hatte Amber mich noch überreden wollen, den Clan nicht zu verlassen und stattdessen an Matthials Seite zu bleiben. Ausgerechnet ihre Gefangennahme zwang mich nun dazu. Ich hätte sie am liebsten laut beschimpft und auf sie geflucht, war mir aber sicher, dass ich dann in Tränen ausbrechen würde. Also blieb ich still und trug ebenjene Stärke zur Schau, die ich gerne auch in mir drin gespürt hätte.
    • • •
    Als ich eine knappe Stunde später durch eins der Fenster im oberen Stockwerk aufs Flachdach kletterte, hatte es zu regnen begonnen. Einzelne matschige Schneeflocken mischten sich darunter, in der Nacht würden die Tropfen sicher gefrieren. Matthial

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