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dark canopy

Titel: dark canopy Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jennifer Benkau
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freuen. Der Schock legte sich. Die plötzliche Verantwortung für zwei weitere Menschen hatte ihn zunächst fast von den Füßen gerissen. Und die Enttäuschung. Denn als Rick unruhig gebellt hatte und Matthial und Josh an die Fenster stürzten und die schlurfenden Schatten bemerkten, da lautete der erste von Hoffnung geflüsterte Name in Matthials Gedanken: Joy.
    Doch es war nicht Joy. Es waren Kendra und Zacharias. Sie schwankten, starrten vor Dreck und brauchten jemanden, der sie stützte. Zu schwer für ihn - das war sein erster Gedanke gewesen. Doch er war immer noch Mars’ ältester Sohn, nach den Regeln seines Vaters, der seine ganze ihm bekannte Familiengeschichte war, geboren mit dem Recht und der Pflicht, einen Clan zu führen. Natürlich hatte er sie willkommen geheißen - willkommen zu Hause! - und sich seine Zerrissenheit nicht anmerken lassen.
    Nun saßen sie beisammen im Wohnraum. Josh hatte eine unvernünftige Menge der kargen Vorräte auf die Tische gestellt und lief nervös umher, löschte eine Kerze, die zu nah am Fenster stand und im Windzug zitterte, entzündete eine andere, verschob Tassen auf dem Tisch, suchte nach Salz und streichelte immer wieder den Hund; wohl, um sich selbst zu beruhigen.
    Was für ein Abenteuer das alles noch immer für seinen kleinen Bruder darstellte. Musste man erst töten, ehe man aufwachte und verstand, dass all das in Wahrheit schrecklich war?
    Kendra und Zac konnten vor Müdigkeit nach der langen Reise kaum noch aufrecht sitzen, geschweige denn etwas essen. Sie hingen auf dem zerfetzten Sofa und blinzelten ins Halbdunkel. In zwei Rucksäcken befand sich alles, was sie besaßen; es waren gewaltige Rucksäcke.
    »Wir sind drei Tage lang gelaufen«, sagte Zac und schien die wasserblauen Augen nicht von den Lederriemen lösen zu wollen, die ihm so lange in die Schultern geschnitten hatten. Kendras Blick huschte wie eine nervöse Maus im Käfig von einer in die nächste Ecke. Nur Matthial streifte er nicht ein einziges Mal. Hatten die Clanmitglieder damals ebenso große Scheu gehabt, Mars in die Augen zu sehen? Matthial konnte sich nicht erinnern.
    Drei Tage Marsch war sein Vater also entfernt. Gar nicht so weit fort, bloß ein Tagesritt, wenn man ein Pferd besaß. Mars besaß ein Pferd.
    »Mit dem Motorrad wäre man in wenigen Stunden da«, überlegte Josh laut und setzte sich auf einen knirschenden Stuhl. Endlich, sein Herumrennen war kaum auszuhalten gewesen.
    Matthial musste schmunzeln, weil sein Bruder denselben Gedanken gehabt hatte. »Deins hinzutragen, würde mindestens eine Woche dauern.«
    »Spotte ruhig, Captain. Irgendwann wird es fahren, du wirst dich noch wundern.«
    Matthial bezweifelte das. Josh hatte das alte Motorrad auf ihrem Rückweg ins Coca-Cola-Haus gefunden. Sie hatten es tatsächlich tragen müssen, so verzogen war das Metall. Aber Josh arbeitete jeden Tag daran und auch wenn er kaum wusste, was er da eigentlich tat, ließ sich die Maschine inzwischen schon wieder schieben. Den Motor instand zu setzen, war zwar etwas anderes, als Unmengen von überflüssigem Plastik abzureißen und verbogene Schutzbleche und Speichen notdürftig zu richten, doch Josh tat die Arbeit gut, daher ließ Matthial ihn und half, wo er nur konnte. Es war gut, ein Ziel zu haben, egal wie aussichtslos es schien.
    »Wie geht es ihnen«, fragte er leise an Kendra gewandt. »Dem alten Clan, meine ich. Allen.«
    Sie leckte sich die schmalen, von Fieberbläschen übersäten Lippen und sah Zac Hilfe suchend an. Der sprang sofort ein, wie er es seit ihrer Kindheit für sie tat.
    »Der Clan ist in den letzten Wochen kleiner geworden, viel kleiner«, erzählte er mit seiner spröden Stimme, die immer dieselbe war, was auch geschah. Er erzählte zu viel von dem, was Matthial nie hatte erfahren wollen:
    Zwei Männer in Mars’ Alter - Männer, die Matthial so nahestanden wie leibliche Verwandte, wie Onkel - waren getötet worden, als sie den Weg erkundeten, dem der Clan folgen wollte. Kaum am Zielort und in vorläufiger Sicherheit angekommen, waren zwei von Babys Waisen an Durchfall gestorben. Kleine Kinder, die noch nicht mal ihre Milchzähne verloren hatten und nach dem Tod ihrer Mutter von allen Frauen des Clans aufgezogen und gehätschelt worden waren, als wären es die eigenen. Eine dieser Frauen hatte danach beschlossen, ihre eigenen Söhne zu nehmen und in die Stadt zurückzugehen.
    Kendra schluchzte laut, während Zac erzählte. Er rieb ihr die Tränen mit dem Ärmel seines

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