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dark canopy

Titel: dark canopy Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jennifer Benkau
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ich. »Vielleicht war er ein Rebell. Vielleicht hätte er dich verachtet.«
    Darauf antwortete er nichts.
    Zwischen uns und den Gleisen breitete sich eine lang gezogene Hecke aus ineinander verschlungenen Hundsrosensträuchern aus. Die ersten dunklen Triebe, mehr grau als grün, erkämpften sich ihren Platz. Sie sahen aus wie Knoten in den nackten Dornenästchen. Amseln hüpften durch die verschlungenen Büsche und beobachteten uns und Meisen schimpften schnatternd, wenn wir vorüberritten. Ein brauner Käfer von der Größe meines Daumennagels landete auf der Mähne meines Pferdes. Ich beobachtete ihn eine Weile, bevor ich ihn wegschnippte. Das alles sprach eine deutliche Sprache in leisen Worten. Der Frühling kam.
    Ich erkannte das Tor erst, als es unmittelbar vor uns auftauchte, denn Büsche und Hecken säumten den Pfad, den wir nahmen. Neél hatte uns auf einem mir fremden Nebenweg zum Großen Nordtor gebracht. Eigentlich lag es im Nordwesten der Stadt, aber da es auch das Große Südtor gab, hatte man wohl beschlossen, es der Gleichheit wegen einfach Großes Nordtor zu nennen.
    In jedem Fall war es stark bewacht, ich zählte ein halbes Dutzend Percents. Seltsam. Es befand sich so weit abseits der Innenstadt, warum bewachte man es besser als die zentral liegenden, kleineren Tore? Nur weil hier einmal im Jahr das Chivvy stattfand?
    »Sei ganz still«, flüsterte Neél und lenkte sein Pferd dicht an einen der beiden Wachmänner heran, die uns forsch entgegentraten.
    »Wer bist du, Varlet?«, rief einer der anderen vom Unterstand aus. Es klang misstrauisch und dass Neél unter der Bezeichnung Varlet nicht zusammenzuckte, zeugte von seiner Stärke. Der Wachmann hätte ihn auch Kind rufen können.
    »Neél ist mein Name, ich unterstehe Cloud. Ich habe Passierscheine für mich und meinen Soldaten. Wenn ihr erlaubt?«
    Die Männer nickten und Neél griff unter seine Weste und zog das Papier heraus. Sie prüften es, sie prüften es lange und intensiv und gingen Neél damit schrecklich auf die Nerven. Ich sah seine Anspannung. Nervosität. Die Haut an seinen Oberarmen vibrierte. Ich hätte ihn gern gefragt, ob alles in Ordnung war, aber ich wagte nicht einmal, die Frage stumm mit den Lippen zu formen. Vier Augenpaare ruhten auf uns, während zwei die Zeilen auf dem Papier nachfuhren, wieder und wieder.
    »Zu Trainingszwecken wollt ihr raus, ja?«, fragte schließlich einer und rollte das Papier wieder zusammen.
    Neél holte tief Atem. »Das steht dort in den Passierscheinen. Lies sie ruhig noch einmal.«
    Der Mann verschränkte die Arme und zerknickte die Dokumente dabei in seiner Faust.
    »Ja«, sagte Neél daraufhin resigniert. »Zu Trainingszwecken.«
    Die Wachen warfen einander noch knappe Blicke zu, dann wurde das Tor geöffnet.
    »Sei vor Wachwechsel zurück«, verlangte der Wachmann, während er Neél die Papiere zurückgab. Die Anweisung klang wie eine Drohung.
    Ein böser Druck löste sich von meinem Brustkorb, als wir das Tor passiert hatten und der mit Stacheldrahtrollen überzogene Zaun endlich hinter uns lag. Neél schien es ähnlich zu gehen. Er ließ die Pferde antraben und lenkte sie von den offenen Feldern zu unserer Rechten weg, direkt in den Wald. Eine Weile war ich damit beschäftigt, meinen Rhythmus zu finden. Die braune Stute hatte einen harten, taktlosen Trab und mein regelmäßiges Aufstehen im Sattel, das ihren Rücken entlasten sollte, war ein stotterndes Zappeln. So konnte ich weder viel Aufmerksamkeit für die Umgebung aufbringen noch Neél die Fragen stellen, die sich in meinem Kopf schon wieder vermehrt hatten wie Mücken nach dem ersten Juliregen. Wenn ich zu ihm rübersah, fiel mir auf, wie energisch und beinahe grob seine Bewegungen waren.
    Erst als wir das Tor weit hinter uns gelassen hatten, zügelte er die Pferde, aber aufgebracht war er noch immer.
    »Du bist wütend«, sagte ich schlicht. Es war nicht zu übersehen.
    »Es ist unglaublich«, regte er sich auf. »Da rennt man stundenlang von einem zum anderen, nur um diese verdammten Passierscheine zu bekommen, und am Tor tun sie dann so, als plane man ein Attentat.«
    »Bei euch gelten strenge Regeln.«
    »Es ist, als sei man ein Gefangener.« Er warf mir einen Blick zu und sah für einen Moment aus, als hätte er sich am liebsten die Hand vor den Mund geschlagen. »Ich meine ...«
    »Ja«, sagte ich leise. »Willkommen in meiner Welt.«
    Ich erwartete sein schon vertrautes Schweigen, aber er sprach sofort weiter. »Es ist auch meine

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