Dark City - Das Buch der Prophetie (German Edition)
irgendwie … gespenstischer.» Die Mädchen kicherten, und der größere der beiden Soldaten zuckte verständnislos die Achseln.
«Na schön. Aber sagt hinterher bitte nicht, ich hätte Euch nicht gewarnt.» Er klopfte mit der Innenseite der Hand gegen die schwere Tür. Ein Geräusch war auf der anderen Seite zu hören, und kurz darauf wurde ein schmaler Holzschieber aufgezogen, und ein kantiges Gesicht erschien hinter der vergitterten Luke.
«Einar, begleitet die drei zu unserem Ehrengast», befahl der Wächter. Das Gesicht wich erschrocken zurück. Der Mann mit Namen Einar beäugte die drei Jugendlichen misstrauisch von oben bis unten. Seine Augen schweiften unruhig zwischen den Wächtern und den Mädchen hin und her.
«Wurde der Besuch von oben abgesegnet?»
«Führt sie zu Isabella!», wiederholte der Soldat seinen Befehl barsch.
Einar nickte ergeben, warf Katara aber dennoch einen besorgten Blick zu. «Weiß Euer Vater davon?»
«Wir bleiben nicht lange», erklärte das Mädchen rasch, ohne dem Mann in die Augen zu sehen, und trat etwas verlegen von einem Fuß auf den andern. Nach einem weiteren skeptischen Blick wurde das Sprechgitter kommentarlos geschlossen, und der Soldat machte sich offensichtlich mit einem Schlüssel an der Innenseite zu schaffen. Es rasselte, man hörte deutlich, wie sich etwas im Schloss drehte, und mit einem lauten Quietschen wurde die schwere Tür einen Spalt geöffnet. Ein kalter, modriger Windhauch schlug ihnen aus der schmalen Öffnung entgegen. Die Mädchen hörten auf zu kichern. Ein Frösteln überkam sie. Mit einem Mal waren sie sich nicht mehr so sicher, ob es eine gute Idee war, hierher zu kommen.
Sie glitten durch den Eingang, und zwei Soldaten nahmen sie auf der anderen Seite in Empfang. Der eine hatte die Arme verschränkt und grinste unverhohlen. Der andere mit Namen Einar, ein muskulöser junger Mann mit kantigem Gesicht, wirkte seltsam beunruhigt. Er hielt eine Fackel in der Hand und nickte den dreien zu.
«Folgt mir», brummte er, und dann, kaum hörbar, «aber auf eigene Verantwortung.»
Die Mädchen folgten dem etwas unfreundlichen Soldaten eine weitere Treppe hinunter. Es kam ihnen vor, als müssten sie längst den Fuß des Berges erreicht haben nach all dem vielen Treppensteigen. Überall befanden sich bewaffnete Soldaten. Sobald Katara in ihr Blickfeld kam, standen sie stramm wie Zinnsoldaten.
«Kennen die dich alle?», flüsterte Xenia von hinten.
Katara nickte stolz. Sie passierten drei weitere, von Soldaten bewachte Zwischentore und landeten schließlich am Fuße einer riesigen Grotte. Aus jedem Winkel hörte man das Husten und Stöhnen von Gefangenen. Man konnte sie nicht sehen, man hörte nur ihr Ächzen und Röcheln. Es waren unheimliche Geräusche, die aus den Tiefen dieser gewaltigen Höhle drangen, und es war noch unheimlicher, dass man nicht sehen konnte, wie viele es waren. Ab und zu durchdrang ein gellender Schrei die Stille, als würde jemand mit einer Peitsche geschlagen.
«Ist das die Hexe?», fragte Yolanda. Ohne es zu wollen, hatte sie von hinten Kataras Mantel ergriffen.
«Nein», gab Einar Auskunft, «Isabella ist nicht eine von denen, die schreit. Ich hab sie noch kein einziges Mal schreien gehört.»
«Ich dachte schon, sie wäre gefoltert worden», wunderte sich Katara.
«Ich sage Euch, sie hat nicht geschrien», versicherte ihr der
Soldat. «Nicht ein einziges Mal. Stattdessen …»
«Stattdessen was?»
Einar blieb stehen und zog nachdenklich die Stirn in Falten. Er schien sich an etwas zu erinnern, an irgendetwas, das ihm anscheinend nicht mehr aus dem Sinn gehen wollte.
«Stattdessen was?», hakte Katara neugierig nach.
Der junge Soldat wandte sich ihr zu und sah sie an, ohne ihr wirklich in die Augen zu sehen. Er schaute viel eher direkt durch sie hindurch. So stand er etwa fünf Sekunden, bis er sich ruckartig umdrehte und einfach stumm weiterging.
Was hat er bloß gesehen?, überlegte Katara. Was auch immer es war, es machte sie umso neugieriger. Ja, sie brannte darauf, dieser geheimnisumwitterten Hexe endlich gegenüberzustehen. Andererseits wurde es ihr auch je länger je unbehaglicher. Ist diese Frau tatsächlich so gefährlich, wie mein Vater gesagt hat?, dachte sie. Worin liegt ihre Macht? Womit hat sie eine ganze Stadt über Jahre hinweg in Atem gehalten? Ist es womöglich doch nicht ganz ungefährlich, ihr einen Besuch abzustatten? Hätte ich vielleicht doch auf meinen Vater hören sollen? Diese und ähnliche
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