Dark City - Das Buch der Prophetie (German Edition)
auf dem die Burg errichtet worden war, tiefer und tiefer. Es wurde merklich kühler. Nach einer Weile erreichten sie einen langen Gang mit alten Rüstungen. Die Rüstungen standen in Mauernischen auf beiden Seiten, und ihre langen Speere kreuzten sich über den Köpfen der Jugendlichen. Im Feuerschein der Fackel hatte man beinahe den Eindruck, als würden richtige Soldaten darin stecken. Katara amüsierte sich, wie ihre Freundinnen sich duckten und kaum wagten, zur Seite zu blicken. Typisch Mädchen , dachte sie.
«Es sind bloß Rüstungen», beruhigte sie die zwei. «Ist nichts weiter als Blech.» Sie klopfte zum Beweis an den Brustschild einer Rüstung. Es klang hohl. «Überzeugt?»
«Die sehen so echt aus», flüsterte Yolanda. «Stell dir vor, es würde sich plötzlich eine von denen bewegen und mit dem Speer auf uns losgehen!»
«Glaub mir, die haben sich noch nie bewegt», versicherte ihr Katara. «Und sie werden es auch heute Nacht nicht tun.»
«Das will ich auch schwer hoffen», murmelte Yolanda.
Die Mädchen bogen in einen Quergang, folgten ihm hundert Schritte und schlugen erneut einen Haken in einen sich leicht neigenden Gang. Die Felswände waren nass, und an manchen Stellen tropfte es. Katara lief rasch und zielstrebig. Sie kannte den Weg zu den Burgverliesen im Schlaf. Manchmal begleitete sie ihren Vater, wenn er einen neuen Gefangenen ablieferte.
Goran, so hieß ihr Vater, war ein schwarzer Ritter und stand im persönlichen Dienst von König Drakar dem Zweiten. Drakar war neunzehn Jahre alt gewesen, als er an die Macht kam. Sein Vater, Drakar der Erste, hatte Dark City ein Jahr nach der großen Nebelkatastrophe zu einem Stadtstaat erklärt. Im Jahre 30 nach der Nebelkatastrophe verlor er unter mysteriösen Umständen sein Leben, und sein Sohn, Drakar der Zweite, wurde unverzüglich zum neuen König gekrönt.
Drei Jahre regierte Drakar der Zweite jetzt schon über Dark City. Trotz seines jugendlichen Alters herrschte der nun Zweiundzwanzigjährige mit derselben Aufopferung über die Stadt, wie sein Vater es getan hatte. Das Volk liebte und verehrte ihn. Durch die wichtige Position ihres Vaters kannte Katara ihn sogar persönlich. Die Siebzehnjährige bewunderte seine Entschlossenheit und seinen scharfen Verstand. Er war ein impulsiver junger Mann mit einem starken Willen, ein König, den man sich nicht zum Gegner wünschte.
Kataras Vater war ihm treu ergeben, und als rechte Hand des Monarchen genoss er das große Vorrecht, mit seiner Tochter unmittelbar auf dem Burggelände zu wohnen. Die Burg war von Drakar dem Ersten erbaut worden und lag wie ein mächtiges Schiff auf einem imposanten Tufffelsen, der nach allen Seiten steil, teilweise fast senkrecht abfiel. An der Westseite schmiegte sich der Tote Fluss unmittelbar an die steile Felswand. An der Ostseite schlängelte sich eine schmale Bergstraße den Felsen hoch. Sie war an und in den Berg gebaut worden und stellte die einzige Verbindungsstraße zwischen der Stadt und der Burg dar. Das letzte Stück vor dem Burgtor fehlte jedoch. Es war vor vielen Jahren durch eine gewaltige Zugbrücke ersetzt worden.
Katara fand es großartig, auf dem weitläufigen Burggelände wohnen zu dürfen. Als sie noch kleiner war, spielte sie mit ihren Freunden im Labyrinth der vielen Burggänge Verstecken, hielt die Wachen zum Narren oder bewarf von einem der über hundert Turmfenster die unten vorbeilaufenden Soldaten mit Wasserbomben. Aber jetzt war sie älter geworden und hatte keine Zeit mehr für solche kindlichen Späße.
Ihr Vater und das gesamte Königshaus waren der Ansicht, dass es für sie an der Zeit wäre, sich wie eine Lady zu benehmen. Als sie vierzehn Jahre alt wurde, hatten sie darauf bestanden, dass Katara endlich lernte zu kochen, zu putzen und zu nähen und sich in aller Schlichtheit und Unterwürfigkeit auf die Bedürfnisse ihres zukünftigen Gatten vorzubereiten wie alle andern adligen Mädchen in ihrem Alter. Doch vom Tag ihrer Geburt an hatte Katara gespürt, dass ihr Geist kräftig und stolz war. In ihren Adern floss das Blut einer Kämpferin. Und so hatte sie ihren Willen durchgesetzt und anstatt Kochen lieber Kämpfen gelernt. Sie wusste ohne jeden Zweifel, dass es ihr Schicksal war zu kämpfen, und der große Master Tromar, ihr privater Kampftrainer, brachte ihr in einer zweijährigen, harten Ausbildung alle Tricks und Techniken bei, die normalerweise den Rittern vorbehalten waren. Mit sechzehn Jahren konnte Katara so geschickt mit dem
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