Dark Desires - Im Bann der Unsterblichkeit
Lautsprechern. Die Musik begleitete Devon, während er über das helle Parkett zu dem Panoramafenster ging, das die gesamte Höhe und Breite der Außenwand einnahm und freien Blick auf die Port Phillip Bay gewährte. Im Sommer stand er häufig dort und beobachtete das Einlaufen der ‚Spirit of Tasmania‘. Der Station Pier, an dem die Fähre an- und ablegte, lag wenige Kilometer Luftlinie entfernt. Trotz der Doppelverglasung konnte er manchmal das gedämpfte Tuten des Schiffshorns hören. Ein Geräusch, das Devon mit Fernweh erfüllte.
Irgendwann würde er Melbourne verlassen. Wie er damals sein geliebtes Schottland verlassen hatte. Ein Vampir durfte nicht zu lange am selben Ort bleiben. Ein halbes Menschenleben, das war Devons Regel. In den heutigen Zeiten konnte selbst das zu gefährlich sein.
Die moderne Technologie war Segen und Fluch zugleich.
Er ließ sich in den schweren braunen Ledersessel sinken, der vor dem Panoramafenster stand. Am Horizont waren bereits erste Spuren eines zarten Blaus zu erkennen.
Früher hätte er sich mit einer weniger extravaganten Bleibe zufriedengegeben. Doch je älter er wurde, desto stärker wurde sein Bedürfnis nach Raum und Weite.
Selbstverständlich hatte die Sicherheit eines hoch gelegenen, gut geschützten Verstecks ihren Preis. Den er bereit und, dank geschickter Geldanlagen in früheren Zeiten, auch in der Lage war zu zahlen. Devon trank in kleinen Schlucken das warme Blut und blickte von seinem Thron über das scheinbar endlose Wasser.
Die aufgehende Sonne überzog den Himmel jetzt mit einem Hauch von Rot und verlieh den Rändern der Wolken einen orangeroten Schimmer. Die Kondensstreifen eines hoch über der Bucht vorbei fliegenden Flugzeugs verwandelten sich in rosafarbene Linien. Dann, von einem Moment zum anderen, wurde das Glas des Panoramafensters milchig-weiß und sperrte die Schönheit des anbrechenden Tages aus. Innen senkten sich, von einer Zeitschaltuhr gesteuert, schwarze Jalousien herab. Devon leerte sein Glas und erhob sich. In der Küche wusch er Topf und Becher aus, schaltete hinterher die Stereoanlage aus und ging in den Flur. Aus seiner Jacke holte er das rote SIM-Kärtchen, brach es in der Mitte durch und warf es in die Toilette.
Auch im Schlafzimmer waren die Jalousien bereits geschlossen. Nur die Ziffern des Radioweckers, der auf dem Nachttisch neben dem breiten Bett stand, leuchteten in der Dunkelheit. Die Decke war zurückgeschlagen und die Kissen zerwühlt. Alles zur Schau. In diesem Bett hatte er noch nie geschlafen. Ohne menschlichen Bewacher war es ihm zu unsicher.
Devon zog eine Tür des Kleiderschranks auf und schob die hängenden Jacken und Hosen zur Seite. Über einen versteckten Mechanismus öffnete er die Geheimtür in der Rückseite des Schranks und trat hindurch.
Der Raum, in dem er sich jetzt befand, war gerade groß genug für einen Tisch, auf dem zwei Monitore standen und eine langgestreckte Truhe. An der gegenüberliegenden Wand war ein Garderobenbrett befestigt, an dem ein Bademantel hing. Dahinter lag eine zweite Geheimtür, die in die Küche führte.
Devon schaltete die Monitore ein. Auf den Bildschirmen sah er seine leere Wohnung, von verborgenen Kameras aus allen erdenklichen Winkeln gefilmt. Eine weitere Aufnahme zeigte den Bereich vor der Wohnungstür.
Devon entkleidete sich, löschte das Licht und öffnete im schwachen Schein der Monitore den Truhendeckel. Ein Schwall kühler Luft strömte ihm entgegen. Am Kopfende der Truhe lag eine schmale Nackenrolle, der einzige Luxus, den er sich gönnte. Er stieg hinein, schloss den Deckel und verriegelte ihn. Lediglich eine winzige Temperaturanzeige am Fußende durchbrach die Schwärze. Sie stand bei sieben Grad. Devon konnte auch bei Raumtemperatur schlafen, doch die Kühle empfand er seit einigen Jahren als angenehmer. Vielleicht war es eine Alterserscheinung. Sollte er irgendwann einen älteren Vampir treffen, würde er ihn fragen.
Devon schob sich das Kissen in den Nacken und schloss die Augen. Sofort zog es ihn in die Dunkelheit.
Kapitel 3
Montag
Um zwei Uhr nachmittags wurde Jesse McMichael vom Plärren des Radioweckers aus dem Schlaf gerissen. Grummelnd vergrub er das Gesicht im Kissen. Als der Nachrichtensprecher begann, die Meldungen des Tages vorzulesen, streckte er die Hand aus, um dem Störenfried den Saft abzudrehen. Nach einigem erfolglosen Herumtasten erinnerte Jesse sich, dass er das Radio auf einen Hocker ans Fußende des Bettes gestellt
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