Dark Desires - Im Bann der Unsterblichkeit
letzten Blick auf die Frau im Minirock ging er ins Badezimmer.
Dort erwartete ihn ein Berg von Schmutzwäsche. Eine optisch unschöne und deshalb wirkungsvolle Erinnerung an eine seiner Aufgaben für den heutigen Tag: Wäsche waschen. Die andere war Putzen. Bevor ihm das Ungeziefer über die Füße lief. Nachdem er sich gewaschen und rasiert hatte, sortierte er die Schmutzwäsche und stopfte die bunten T-Shirts, Hemden, Unterhosen und Socken in einen der Leinensäcke, die er unter dem Waschbecken aufbewahrte. Für die Hosen würde er einen zweiten Sack brauchen. Jesse sammelte Hosen wie andere Menschen Briefmarken oder DVDs. Sie stapelten sich in allen erdenklichen Farben in seinem Kleiderschrank, mit gebleichten oder kunstvoll zerschnittenen Beinen, bunten Abnähern, Gesäßtaschen aus unterschiedlichen Stoffen, Mustern aus Schmucksteinen und farblich abgesetzten Nähten.
Auf der Suche nach vergessenem Kleingeld ging Jesse die Taschen der Hosen durch und fand eine Zwei-Dollar-Münze und drei Ein-Dollar-Münzen. Damit hatte er das Geld für Waschmaschine und Trockner zusammen. Beides gehörte nicht zur Grundausstattung der Wohnung. Dafür gab es im ersten Stock einen Wäsche- und Trockenraum. Jesse schnappte sich eine Flasche Flüssigwaschmittel und schulterte die Wäschesäcke.
Von der Küche führte eine Tür auf einen Laubengang, der für alle Wohnungen im zweiten Stock des U-förmigen Gebäudes zugänglich war.
Er schlüpfte in ein Paar Turnschuhe und ging über den Laubengang zu der breiten Metalltreppe, die in den Innenhof führte. Auf halber Höhe befand sich eine Plattform, von der man über einen Steg zum Laubengang im ersten Stock kam. Die Tür zum Wäscheraum war wie immer unverschlossen und die zwanzig Plastikleinen hingen voller Wäsche in unterschiedlichen Trocknungsstadien. Jesse befüllte eine der drei Waschmaschinen mit seiner Kleidung. Danach gab er eine großzügige Menge Waschmittel direkt in die Trommel des Topladers, warf zwei Dollar ein und wartete, bis die Maschine anlief. Manchmal blockierten die Dinger, und wenn man nach einer Stunde zurückkam, war nichts sauber. Aber diesmal war das Gerät auf seiner Seite. Jesse gab ihm einen wohlwollenden Klaps auf den Deckel und ging zurück in die Wohnung.
Weil er noch keinen Appetit auf eine richtige Mahlzeit verspürte, machte er sich einen großen Becher schwarzen Tee, verfeinerte ihn mit Milch und Zucker und nahm sich dazu eine Handvoll Schokoladenkekse. Im Wohnzimmer ließ er sich auf das abgewetzte blaue Sofa fallen, legte die Füße auf einen gepolsterten Hocker und knabberte genüsslich die Kekse. Einen Teil der Wohnungseinrichtung hatte er vom Vormieter übernommen. Der Rest stammte von der Salvation Army . Die Salvos betrieben einen ihrer Secondhand-Läden bei der Kirche in der Nähe des Obdachlosenwohnheims. Dort gab es neben der üblichen Kleidung günstige Möbel und elektrische Geräte zu kaufen. Jesse angelte nach der Fernbedienung, die in eine Sofaritze gerutscht war und hüpfte durch die Fernsehkanäle. Wie an den meisten Tagen blieb er bei den Cartoons hängen. Nach einer Nacht wie der vergangenen vertrug er keine härtere Kost als Wyle Coyote und den Roadrunner.
Wieso konnte Mandy sich nicht an den mysteriösen Fremden erinnern, der sie hinter der Gold Bar angesprochen hatte? Es ließ Jesse einfach keine Ruhe. Er hätte schwören können, dass sie sich beide mit dem Mann unterhalten hatten. Hundertprozentig sicher war er sich aber nicht. Falls die Begegnung tatsächlich ein Traum gewesen war, wie Mandy ihm hatte weismachen wollen, woher kamen diese Erinnerungsfetzen? Manchmal, wenn er gerade an etwas ganz anderes dachte, tauchten plötzlich Bilder vor seinem inneren Auge auf. Doch sobald er sich auf sie konzentrierte, verschwanden sie in einem dichten Nebel.
Vielleicht sollte er ein paar Tage Urlaub machen. Ausspannen, aus Melbourne rauskommen. Aber allein zu verreisen machte keinen Spaß. Für den Freitag hatte er sich freigenommen, um gemeinsam mit Mandy, Sylvia und Marc das Football-Spiel im MCG anzusehen. St. Kilda Saints gegen Melbourne Demons . Das würde ihn auf andere Gedanken bringen. Die Stimmung im Melbourne Cricket Ground war immer gut, gleichgültig, ob zwanzigtausend oder vierzigtausend Fans kamen. Und gegen durchtrainierte Männer in knappen Shorts konnte keiner etwas haben.
In einer Werbepause füllte Jesse die saubere Wäsche in einen der beiden Trockner um und warf die übrigen drei Dollar ein.
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