Dark Desires - Im Bann der Unsterblichkeit
suchte nach seinem Handy, diesem Stück Technik, dem er sich stets verwehrt hatte. Er konnte es nicht finden. Lag es im Wagen? In seiner Wohnung? Er schaute erneut durch die Fensterscheibe. Ein Nachbar könnte die Tür für ihn aufbrechen. Und der Vampir würde die Wohnung trotzdem nicht betreten können. Allein Jesse konnte ihm erlauben, hineinzukommen.
Beruhige dich und denk nach!
Devon konzentrierte sich erneut auf Jesses Herzschlag. Er war schwach und unregelmäßig, aber der Herzschlag eines Sterbenden klang anders. Es war nicht zu spät. Es blieb genug Zeit, um Jesse zu helfen. Wenn er bloß in die Wohnung kam!
Devon schloss die Augen und konzentrierte sich. Tastete sich behutsam vor. Der menschliche Verstand war zerbrechlich. Wenn er zu ungeduldig vorging, konnte er Jesse Schaden zufügen. Zuerst spürte er nichts. Dann Schwärze. Tiefe Bewusstlosigkeit. Er öffnete seinen Geist, um selbst das schwächste Signal aufzufangen.
Da. Ein Aufflackern von Bewusstsein.
Jesse.
Als hätte sich eine Schleuse geöffnet, wurde Devon von Angst, Schmerz und Verwirrung überschwemmt. Bilder blitzten auf: ein junger Mann in einer schwarzen ‚All Blacks’-Jacke, Richard Geoffrey, gelbe Augen. Schlagartig riss die Verbindung und es warf Devon zurück in die Gegenwart. Er brauchte einige Sekunden, um sich zu sammeln. Jesses Angst war berauschend, doch er durfte sich dem nicht hingeben. Früher hatte er mit seinen Opfern gespielt. Das Ende der Jagd so lange wie möglich hinausgezögert. Je größer die Angst, desto süßer der Tod. Heute war es anders. Alles war anders.
Devon tastete sich erneut vor und wurde von einer weiteren Welle überrollt. Diesmal war er darauf vorbereitet.
Vertrau mir. Ich würde dich niemals verletzen!
Unzählige Male hatte er diese Worte benutzt, um seine Opfer einzulullen. Ernst gemeint hatte er sie nie.
Bis zu diesem Moment.
Jesse, hör mir zu. Ich möchte dir helfen, aber du musst mich hineinbitten. Ein einziges Wort genügt, du musst es nur sagen!
Devon horchte, wartete. Bekam keine Antwort.
Vertrau mir! Er legte all seine Überzeugungskraft in diese beiden Worte. Darf ich reinkommen?
Angst und Panik ebbten ab. Er hörte Jesse einen tiefen, mühsamen Atemzug tun. Und mit dem Ausatmen kam geflüstert ein Wort.
Mit einem einzigen Schlag brach Devon das Türschloss aus dem Rahmen. Er stieß die Tür auf, stürmte in die Küche und prallte zurück. Ihm war, als wäre er gegen eine unsichtbare Wand aus Angst und Blut gelaufen. Eine schier überwältigende Mischung, die ihn sämtlicher Sinne beraubte und seine niedersten Instinkte an die Oberfläche zerrte. Durst. Verlangen. Jagd.
Mit einer gewaltigen Willensanstrengung drängte Devon die Empfindungen beiseite. Jesse lag bewusstlos zu seinen Füßen, doch er zwang sich, ihn nicht anzusehen. Ein Telefon. Er brauchte ein Telefon!
Im Flur wurde Devon fündig. Er wählte Mias Nummer und bekam nach dem sechsten Klingeln eine verschlafene Antwort. Sobald er seinen Namen genannt hatte, war Mia hellwach. Er erklärte ihr in wenigen Sätzen, was er benötigte und wohin sie es bringen sollte. Nachdem sie alles wiederholt hatte, beendete er das Gespräch und ging gezwungen ruhig zurück in die Küche. Alles musste jetzt ruhig und überlegt getan werden. Er ließ sich neben Jesse auf die Knie nieder und drehte ihn behutsam auf den Rücken. Seine Kleidung war leicht feucht. Hatte er im Regen gelegen? Es hatte seit Sonnenuntergang nicht geregnet. Devons Blick glitt über Jesses Shirt, das auf der rechten Seite blutdurchtränkt war, über seinen blutverschmierten Hals und verharrte auf zwei ausgefransten Löchern. Richards Biss.
Devon streckte die Finger nach der blutverkrusteten Wunde aus und hielt inne. Er wusste nicht, was geschah, wenn er Jesses Blut berührte. Ob er die Kontrolle verlieren würde.
Warum hatte Richard ihn nicht getötet? Wie war Jesse in den Schutz der Wohnung gekommen? Devon konnte Richard in der Wohnung nicht riechen, also war er nicht hineingelassen worden. Was war passiert?
Später. Es würde später genug Zeit sein, um Antworten zu finden. Devon zog Jesse behutsam die nasse Kleidung aus. Soviel Blut. Es schien überall zu sein. An seinen Fingern, auf seinen Lippen. Er schmeckte es auf der Zunge, süß und metallisch zugleich. Plötzlich hielt er das blutverschmierte Shirt in den Händen und konnte den Blick nicht mehr davon abwenden. Sein gesamtes Sichtfeld schien sich um diese dunklen Flecken zusammenzuziehen. Bis es allein
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