Dark Love
den Dr. Elpinoy mir mit dem Frühstück gebracht hatte. Es war ein schlichter, handgemachter Leinensack. Darin fand ich einen weiteren Zettel. Ich wunderte mich über den Alphabetisierungsgrad der Untoten. Er war definitiv höher, als ich erwartet hatte.
Miss Dearly, wir sind so froh, Sie hier zu haben! Ich war unendlich erleichtert, als ich hörte, dass die Mission erfolgreich verlaufen ist. Mein Name ist Dr. Beryl Chase und ich lebe noch, nur damit Sie es wissen. Bitte geben Sie mir Bescheid, wenn Sie noch weitere Kleidung oder Toilettenartikel benötigen. Ich denke, Ihre Füße dürften kleiner sein als meine, deshalb habe ich Ihnen statt richtiger Schuhe Slipper eingepackt.
B. Chase
Ich schüttete den Inhalt des Beutels auf das Bett. Dr. Chase hatte mir zwei puffärmelige Musselinkleider geschickt, eines davon mit blauen Streifen, das andere war mit einem Muster aus rosa Blumen. Außerdem waren da noch ein Korsett, eine lange Damenunterhose, Strümpfe und die besagten Slipper. In einem weiteren Stoffsäckchen fand ich ein paar Fläschchen, die Shampoo und Seife enthielten, eine Zahnbürste und alles, was dazugehörte, und noch eine kleine Glasphiole mit parfümiertem Öl. Es duftete nach Veilchen und Schokolade.
Genau. Warum machte ich mich für die Monster nicht noch ein bisschen appetitlicher? Als ob eine Kuh Eau de Bratensaft tragen würde. Mit gerümpfter Nase schloss ich die Phiole wieder.
Dann betrachtete ich mein zerrissenes Nachthemd. Vielleicht sollte ich wirklich duschen, wenn auch nur, um mich ein wenig besser zu fühlen. Ich erhob mich vom Bett und begann automatisch, die Knöpfe zu öffnen. Meine Hände waren so dick bandagiert, dass ich absolut kein Gefühl darin hatte, und die Knöpfe rutschten mir immer wieder aus den Fingern.
Genervt ließ ich mich auf die Bettkante sinken und löste die Verbände. Sobald sie frei lag, untersuchte ich meine linke Handfläche. Abgesehen von einer langen alten Narbe – einer Erinnerung an den Völkermord an meinen Porzellanpuppen vor acht Jahren – wies sie auch viele neue Schnitte von den Dornen auf, die sich in mein Fleisch gebohrt hatten. Ich ballte die Hand zur Faust und öffnete sie dann wieder. Nichts Ernstes, auch wenn es noch verflucht wehtat.
Die Verbände auf der rechten Seite zu lockern war schon schwieriger, da ich mit links nicht so geschickt war, aber ich zog und zerrte daran, bis sie sich endlich lösten. Endlich lag mein Handgelenk frei und ich entdeckte zu meiner Überraschung, dass dort ein Stück Gaze festgeklebt war. Ich zog das chirurgische Klebeband ab und fand einen kurzen, tiefen Schnitt – viel zu gerade und professionell, um das Ergebnis eines Dorns zu sein. Die Wunde war mit ein paar ordentlichen Stichen genäht worden.
Die Welt stand für einen Moment still. Alles, was ich gerade zu mir genommen hatte, ballte sich in meinem Magen zu einem Klumpen zusammen. Warum hatten sie mir diesen Schnitt verpasst?
Die Antwort traf mich wie ein Schlag in die Magengrube und nur mit schierer Willenskraft konnte ich verhindern, dass ich mich wieder übergab.
Sie hatten meinen ID -Chip entfernt.
Jetzt konnte niemand mehr meinen Aufenthaltsort ermitteln.
»Bram!«, brüllte ich und stürmte zur Tür. Ich trommelte gegen das Holz und ignorierte den stechenden Schmerz, der dabei meine Hand durchzuckte. »Bram!«
Nachdem ich geschlagene fünf Minuten lang gebrüllt, getrommelt und mit den Füßen gestampft – und eine Minute lang starr vor Schreck überlegt hatte, ob ich das Zimmer wohl verlassen müsste, um irgendjemanden zu finden und ob sie das die ganze Zeit geplant hatten und o Gott, o nein – hörte ich endlich Dr. Elpinoys nervöse Stimme. »Miss Dearly?«
Ich warf mich wieder gegen die Tür. »Bram! Ich will mit … mit Captain Griswold sprechen oder wie auch immer Sie ihn nennen!«
»Natürlich, Miss, wenn ich Ihnen irgendwie behilflich …«
»Ich will mit Bram sprechen! Und zwar sofort!« Meine Kehle wurde eng, meine Stimme überschlug sich. Die Laute, die als Nächstes aus meinem Mund dröhnten, überraschten mich selbst. » WO IST ER? !«
»Schon gut, schon gut, wenn es das ist, was Sie möchten.« In Dr. Elpinoys Stimme klang blanke Panik. »Sofort. Er wird sofort bei Ihnen sein.«
Dann verschwand er und ich begann ungeduldig auf und ab zu tigern, auch wenn ich irgendwo erleichtert war, dass ich den Raum nun doch nicht verlassen musste. Es blieb eine Minute lang still. Fünf Minuten. Eine weitere Stimme
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