Dark one 03 - Kuesst du noch oder beisst du schon- neu-ok
Denkstrukturen übrig, um irgendwo in der weit verzweigten
Unternehmenswelt der Medialen als Drohne zu dienen, als Maschine mit gerade
noch genügend neuronalen Aktivitäten, um die Post zu sortieren oder die Böden
zu fegen.
Saschas Hand
schloss sich fester um den Organizer und sie kehrte in die Gegenwart zurück.
Wenn es einen Ort gab, an dem sie nicht zusammenbrechen durfte, dann hier in
diesem Zimmer vor den Augen ihrer Mutter. Nikita Duncan war zwar ihr Fleisch
und Blut, aber sie gehörte auch dem Rat der Medialen an. Sascha wusste nicht,
ob Nikita am Ende nicht doch ihre Tochter opfern würde, um den Sitz im mächtigsten
Gremium der Welt zu behalten.
Mit
verbissener Entschlossenheit machte Sascha sich daran, die verborgenen Winkel
ihres Verstandes mit stärkeren Schutzschilden zu versehen. Wenigstens darin war
sie immer besser als alle anderen gewesen, und als ihre Mutter das Gespräch
beendete, strahlte Sascha etwa so viel Gefühl aus wie eine aus arktischem Eis
gehauene Skulptur.
„In zehn
Minuten haben wir eine Besprechung mit Lucas Hunter. Bist du bereit?“ Nur
nüchternes Interesse stand in Nikitas mandelförmigen Augen.
„Natürlich,
Mutter.“ Sascha zwang sich, diesem Blick standzuhalten, und schob den Gedanken
beiseite, ob ihre Augen wohl genauso viel verbargen wie die ihrer Mutter. Zum
Glück hatte sie, im Gegensatz zu Nikita, die nachtschwarzen Augen einer
Kardinalmedialen - unergründlich wie der Nachthimmel und übersät mit
klitzekleinen weißen Sternen, in denen kaltes Feuer funkelte.
„Hunter ist
ein Alphatier der Gestaltwandler, also unterschätze ihn bloß nicht. Er denkt
wie ein Medialer.“ Nikita wandte sich ab und ließ den flachen, in der
Tischplatte versenkten Bildschirm hochfahren.
Sascha rief
die relevanten Daten in ihrem Organizer auf. Das kleine Gerät enthielt alles
Notwendige für die Besprechung und sie konnte es bequem in der Jackentasche
verschwinden lassen. Wenn Lucas Hunter sich ebenso wie andere seiner Rasse
verhielt, dann würde er von allem einen Ausdruck dabeihaben.
Ihren
Informationen nach hatte Hunter mit dreiundzwanzig die alleinige Führungsrolle
im DarkRiver-Leopardenrudel übernommen. In den folgenden zehn Jahren war das
Rudel zur mächtigsten Raubtiergruppe in San Francisco und Umgebung
aufgestiegen. Gestaltwandler von außerhalb, die hier lebten, arbeiteten oder
sich auch nur kurz aufhalten wollten, mussten bei den DarkRiver-Leoparden eine
Erlaubnis einholen. Taten sie das nicht, traten die Territorialgesetze der
Leoparden in Kraft, mit brutalen Folgen für die Betroffenen.
Etwas hatte
Sascha bei der ersten Durchsicht der Unterlagen in Erstaunen versetzt: Die
DarkRiver-Leoparden hatten einen Nichtangriffspakt mit dem
SnowDancer-Wolfsrudel geschlossen, das im übrigen Kalifornien herrschte. Diese
Tatsache hatte in Sascha Zweifel am zivilisierten Bild der DarkRiver-Leoparden
geweckt, denn die SnowDancer-Wölfe waren bekannt für ihre gnadenlose
Grausamkeit, wenn es jemand wagte, in ihrem Territorium nach der Macht zu
greifen. Man konnte dort nicht überleben, wenn man nett war.
Ein leiser
Glockenschlag ertönte.
„Wollen wir,
Mutter?“ Nikitas Verhalten Sascha gegenüber war nicht mütterlich, das war es
nie gewesen. Aber die Etikette verlangte eine familiäre Anrede.
Nikita
nickte und richtete sich zu ihrer vollen Größe von anmutigen ein Meter
siebenundsiebzig auf. Mit ihrem schwarzen Hosenanzug und dem weißen Hemd
entsprach sie auch äußerlich von Kopf bis Fuß dem Bild einer erfolgreichen
Geschäftsfrau. Ihr schlichter Haarschnitt endete knapp unter den Ohren und
stand ihr ausgezeichnet. Sie war schön. Und sie konnte tödlich sein.
Selbst wenn
sie so wie jetzt nebeneinander gingen, würde niemand sie für Mutter und Tochter
halten. Sie waren zwar gleich groß, aber das war auch die einzige Ähnlichkeit.
Nikita hatte den asiatischen Schnitt der Augen, das glatte Haar und den
Porzellanteint ihrer Mutter geerbt, die zur Hälfte Japanerin gewesen war. Bei
Sascha machten sich diese Gene nur noch durch eine leichte Schrägstellung der
Augen bemerkbar.
Ihre Haare
waren nicht glatt und glänzten auch nicht blauschwarz wie Nikitas, sondern
hatten die Farbe von dunklem Ebenholz, schluckten das Licht wie Tinte und
kräuselten sich so wild, dass Sascha die ungebärdigen Locken jeden Morgen zu
einem strengen Zopf nach hinten binden musste. Der dunkle Honigton ihrer Haut
war wohl den Genen ihres unbekannten Vaters zuzuschreiben. In
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