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Dark Room

Dark Room

Titel: Dark Room Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sophie Andresky
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schmiegte sich sogar noch an ihre Mutter, wenn die sie nicht beachtete oder immer wieder wegstieß.
    Diesmal war es anders.
    Alicia hatte sogar ein Eis bekommen, das ihr in klebrigen Rinnsalen über die Waffel tropfte. Gemma wunderte sich, dass Alicia das Eis kaum interessierte, obwohl sie Süßigkeiten liebte. Diesmal lief sie ihr auch nicht entgegen und umarmte Gemma so fest, dass ihr die Luft wegblieb. Auch ihr staunendes Gesicht war ungewöhnlich stumpf und müde. Dafür hatte Lorina auffallend gute Laune. Sie schimpfte gar nicht, als Alicia das Eis auf den Teppich fallen ließ und x-beinig im Flur stand, weil sie sich in die Hose gemacht hatte. Summend zog sie ihr frische Kleidung an, setzte sie vor den Schlafzimmerspiegel, wo Lorina die Parfumflaschen aufbewahrte, die die Schwestern niemals anfassen durften, öffnete Alicias geflochtenen Zopf und kämmte ihr fast hüftlanges Haar mit der silbernen Bürste, die sie in einer abgeschlossenen Schatulle im Schrank aufbewahrte.
    Alicia saß still da und sah in den Spiegel, als wäre dahinter ein ganzes Wunderland, durch das sie lief. Sie war ganz in sich versunken und reagierte auch nicht, als Gemma neben sie trat und ihr über die Locken strich. »Du hast viel schönere Haare«, sagte Gemma und drehte sich eine Strähne über den Finger, aber Lorina schickte sie barsch aus dem Schlafzimmer. »Neid ist ein ganz hässlicher Zug«, schimpfte sie, »der macht kleine Mädchen hässlich, schäm dich. Du kannst alles, was deine arme Schwester nie können wird, also gönn ihr wenigstens, dass sie von hinten wunderschön ist.«
    Gemma schlich beschämt aus dem Zimmer, obwohl sie es gar nicht böse gemeint hatte, blieb an der Tür stehen und beobachtete, wie Lorina die langen roten Strähnen bürstete und dabei summte. Alicia nahm alles teilnahmslos hin, und ihr Blick war noch leerer als sonst.
    Und dann kam bald darauf die Nacht, in der Gemma Alicia weinen hörte, was ungewöhnlich war, weil Alicia meistens lachte und selbst Kränkungen von den anderen Kindern schnell wieder vergaß und sich immer wieder schubsen, bespucken oder mit Stöcken drangsalieren ließ, so lange, bis Gemma einschritt und verprügelte, wen sie erwischte. Aber in dieser Nacht hörte sie Alicia im Flur weinen. Sie ging zur Tür und sah, dass ihre Schwester völlig nackt in eine Ecke gekauert dasaß. Bevor sie zu ihr laufen konnte, öffnete sich die Schlafzimmertür ihrer Mutter, sie zerrte Alicia hoch und schob sie in Richtung des Kinderzimmers. Gemma sprang ins Bett und zog sich die Decke über den Kopf. Alicia weinte weiter, auch als Gemma schließlich zu ihrem Bett schlich und sich neben sie setzte und ihr über den Kopf streichelte. Im Flur hörte sie ihre Mutter mit einem Mann sprechen, sie sah noch einmal durch den Türspalt und erkannte den Kinderarzt, der offenbar verärgert die Wohnung verließ.
    Zwei Wochen lang passierte nichts, und wenn Alicia nicht so auffallend still über ihren Malbüchern gesessen hätte, ohne zu glucksen oder auf vorbeifliegende Vögel zu zeigen, hätte man denken können, es sei alles wie immer.
    Aber das war es nicht.
    Die beiden Schwestern lagen schon im Bett, als Lorina hineinkam und Alicia weckte. Sie setzte sie schlaftrunken auf den Bettrand, bürstete ihre langen Haare und legte sie ihr in weichen Wellen über die Schultern. Gemma sah, dass Alicia fror, denn sie rieb immer wieder die nackten Füße aneinander, und Gemma wollte aufstehen, um ihr die Pantoffeln anzuziehen, aber Lorina schickte sie ins Bett zurück und sagte ihr, sie solle beten und Gott um Verzeihung bitten, weil sie so ein eifersüchtiges, böses Mädchen sei, dass sie ihrer dummen Schwester nicht mal ein Eis gönne. Gemma fing an zu weinen und verkroch sich unter der Decke. Ihre Mutter nahm Alicia mit. Gemma hörte, wie sie Alicia in ihr Schlafzimmer brachte und die Tür hinter sich schloss.
    Es klingelte, und Gemma fand das merkwürdig, weil es schon spät war und alle Leute schlafen sollten, auch die Erwachsenen. Lorina sprach mit einem Mann, den Gemma nicht kannte.
    Sie schlich zur Tür und sah, dass die Mutter in die Küche ging und die Tür hinter sich schloss. Der Mann kam aber nicht mit ihr, wie Besuch das eigentlich macht, sondern betrat allein das Schlafzimmer. Gemma wartete, ihr Herz schlug ihr bis zum Hals, dann schlich sie hinterher und sah durch das Schüsselloch. Alicia lag bäuchlings und nackt auf dem Bett und weinte. Und auch der fremde Mann war nackt. Er hatte ihr die Hände

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