Dark Secrets (Gesamtausgabe)
Anrufer
“
„Pierce?“, fragte sie mit schwacher Stimme.
„Dr. Pierce“, klang Dimitrijs harte Stimme mit gespielter Freundlichkeit an ihr Ohr, „ich bin ein so ungeduldiger Mensch. Lassen Sie uns heute doch schon unsere kleine Party feiern.“
XIII
Amanda brauchte eine Sekunde, bis sie ihre Stimme fand. „Heute?“, fragte sie tonlos und blickte hilfesuchend Spock an.
„Ja, wir treffen uns in der alten Kaserne in Greenwich. In einer Stunde.“
Spock nickte zum Zeichen, dass er ihn gehört hatte.
„Ich muss die Unterlagen zusammenstellen. Ich brauche etwas länger.“
„Eine Stunde und zehn Minuten. Keine Sekunde später, sonst fliegt Nicolai mit den Engelchen. Und keine Polizei!“ Dann legte er auf.
Zitternd ließ Amanda das Telefon sinken. Die Panik in ihr wurde so übermächtig, dass sie am liebsten vor allem weggelaufen wäre.
„Ich schaffe das nicht“, hauchte sie.
Mit plötzlicher Vehemenz packte Spock sie bei den Schultern. „Wollen Sie es?“, fragte er und sein dunkler Blick bohre sich regelrecht in ihre Seele.
„Ja.“
„Dann tun Sie es einfach. Ich werde da sein. Niemand wird mich sehen. Sie sind nicht allein, verstehen Sie?“
Zögerlich nickte sie, dann stand sie auf. „Ich muss die Unterlagen zusammenstellen und auf einen Stick ziehen. Ich bin gleich zurück.“
Eine halbe Stunde später hatte Amanda alle Daten beisammen und stieg in ihren Wagen. Spock war genauso spurlos verschwunden, wie er aufgetaucht war, und sie betete, dass er wusste, was er tat.
Als sie ihren Wagen auf das Kasernengelände lenkte, empfingen sie zwei Männer, dunkel gekleidet und ganz offensichtlich bis an die Zähne bewaffnet. Sie versperrten ihr die Weiterfahrt, was wohl bedeuten sollte, dass es ab hier zu Fuß weiderging.
Mit klopfendem Herzen und klammen Fingern stieg Amanda aus, zwang ihre Angst nieder und ging auf die beiden Männer zu. Unvermittelt packte sie der eine von ihnen und schob sie gegen den Wagen, so dass sie mit dem Rücken zu ihm stand.
„Hey, was -“
Als er anfing sie abzutasten, schluckte sie die Übelkeit hinunter. Sie bemerkte durchaus, dass seine Finger zu lange auf ihren Brüsten, auf der Innenseite ihrer Oberschenkel verharrten und schloss angewidert die Augen.
Wichtig war jetzt, dass sie nicht ohnmächtig wurde!
Indem er von ihr abließ und sie wieder umdrehte, grinste er anzüglich. Er stank nach Schweiß und hielt Amandas USB-Stick in die Höhe, von dem sie gar nicht bemerkt hatte, dass er ihn ihr aus der Tasche gezogen hatte. Er packte sie bei der Schulter und schob sie vorwärts. Ihre Knie waren wie Butter, die Angst lähmte sie und machte das Gehen fast unmöglich, während sie unerbittlich auf das halb verfallene Kasernengebäude zugeschoben wurde.
Die großen, glaslosen Fenster waren dunkle, weit aufgerissene Mäuler, um die sich verrostete Eisenskelette wanden. Der Anblick war schaurig. Eine mehr als angemessene Kulisse für dieses Treffen, fand Amanda und betrat zitternd das kahle, mit obszönen Graffitis bedeckte Gebäude.
Fast augenblicklich blieb ihr das Herz stehen. Die Szenerie war grotesk, wie aus einem düsteren Agententhriller entliehen: Dimitrij und zwei weitere Wachmänner standen in der Mitte des Raumes, vor ihnen ein Stuhl, auf dem Nicolais in sich zusammengesunkene Gestalt mehr hing als saß.
Er bewegte sich nicht, er sah nicht auf. Er war bewusstlos.
Oder tot
, pochte es in ihren Gedanken.
Seine Kleider waren zerrissen, das weiße Hemd was gänzlich rotbraun von eingetrocknetem Blut, genau wie seine verklebten Haare. Er hatte einen dunklen Dreitagebart, soweit Amanda sein schlaffes Gesicht sehen konnte. Am liebsten wäre sie in Tränen ausgebrochen, doch sie erlaubte es sich nicht.
Nicht, solange es noch Hoffnung gibt!
„Dr. Pierce.“ Dimitrij blieb regungslos hinter Nicolais Stuhl stehen, während sich sein Gesicht zu einem schiefen Grinsen verzog. „Pünktlichkeit weiß ich sehr zu schätzen.“
Amanda antwortete nicht. Ihr Blick blieb auf Nicolai gehaftet, als könnte sie ihn allein dadurch dazu bewegen, endlich aufzusehen.
„Ist sie sauber?“, fragte Dimitrij die Wache, die sie durchsucht hatte. Mit einem Nicken trat der Mann vor und gab den Stick ab.
„Sind das die Daten, Dr. Pierce?“
„Nein, das sind meine Urlaubsfotos“, erwiderte sie wütend.
Dimitrij lachte so schallend, dass seine Stimme verzerrt von den kahlen Wänden zurückgeworfen wurde.
Amanda beobachtete noch immer nur Nicolai, der selbst bei diesem
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