Dark Swan - Mead, R: Dark Swan
weiter.
„Na schön“, sagte ich und erkannte meine eigene Stimme kaum wieder.
Aeson drehte mich herum und küsste mich grob und schmerzhaft, ohne sich darum zu scheren, dass meine Lippen unbeweglich blieben und seinen Kuss nicht erwiderten. Er zog mich herunter, legte mich mit dem Rücken auf die scharfkantigen Steine. Das Letzte, was ich sah, bevor alles schwarz wurde, war der Sturmkönig, der mit einer kalten, unbeteiligten Miene auf mich herabsah. Ich schloss die Augen, versuchte, den seelischen und körperlichen Schmerz auszublenden.
Als ich mich wieder etwas sehen ließ, saß ich auf dem Boden und hatte die Handflächen auf den Fels gelegt. Wie vorhin spürte ich keine Schmerzen, und meine Kleidung war wieder heil. Noch eine Illusio n … eine, an die mein Körper keine Erinnerungen besaß, die meinen Geist aber noch eine ganze Weile beschäftigen würde. Ich stand auf und ging weiter, folgte Kiyo.
In der nächsten Kammer erwartete mich wieder jemand, ein Mann, den ich noch nie gesehen hatte. Er war klein und schlank und ganz in scharlachroten Samt gekleidet, was schon ziemlich ausgefallen aussah. Er hielt irgendetwas in den Händen, das in Stoff eingeschlagen war, und ging nervös auf und ab. Als er mich erblickte, strahlte er vor Erleichterung.
„Da seid Ihr ja, Majestät!“, rief er. „Ich habe so lange gewartet.“
„Worauf?“
Er hielt mir das Bündel hin. „Darauf, Euch die Krone zu geben. Ihr müsst sie aufsetzen.“
Ich beäugte das Bündel nervös und sah dann zu der glatten, leeren Wand zwischen Kiyo und mir. „Soll ich das als Nächstes durchlaufen? Dass ich die Krone aufsetze?“
Er nickte unruhig. „Macht schnell. Uns läuft die Zeit davon.“
Mir war klar, was das mit der Krone sollte. Mir war klar, was Dorian vor Aesons Feste getan hatte. Irgendwie, auf irgendeine Weise, hatte ich das Erlenland gewonnen. Ich war seine Königin geworden. Bloß dass ich das nicht wollte, auf gar keinen Fall. Wenn ich hier lebend rauskam, würde ich das Ganze rückgängig machen. Aber wenn es nun einmal das Aufsetzen dieser Krone war, was die nächste sadistische Folter hinter mich brachte, dann würde ich es eben tun. Es war um einiges leichter als alles, was ich bis jetzt durchgemacht hatte.
„Gut. Gib sie mir.“
Er händigte mir das Bündel aus. Ich schlug den Stoff auf, und als ich sah, was darin lag, hätte ich es beinahe fallen gelassen.
Aeson hatte einen goldenen Reif getragen. Dorians Krone, die er nur selten trug, war ähnlich schlicht. Sie erinnerte an einen Ring aus Blättern, die aus verschiedenen Metallen gefertigt waren: Silber, Gold und Kupfer. Wahrscheinlich trugen Maiwenn und die übrigen Monarchen der Anderswelt ähnliche Stücke.
Aber das hie r … das war nicht bloß ein einfacher Reif. Sondern ein schwerer verschlungener Wirbel aus Metall, aus Platin, besetzt mit Diamanten und Amethysten. Die Krone des Sturmkönigs. Nur dass sie kleiner war. Ein bisschen zierlicher. Für eine Frau geschaffen.
„Was ist das?“, rief ich.
Der Mann sah mich verdutzt an. „Eure Krone.“
„Das ist nicht die Krone des Erlenlands. Es ist die Krone meines Vaters.“
„Welche solltet Ihr sonst tragen, Eure Majestät?“
Ich wollte sie ihm zurückgeben, aber er wich zurück. „Ich will sie nicht. Ich werde sie nicht tragen.“
„Ihr müsst. Das ist der einzige Weg.“
Er sah mich flehend an, fast als wollte er ebenso gern wie ich, dass ich die nächste Stufe dieses Spiels erreichte. Ich brauchte seine dringende Bitte nicht. Ich wollte ja selbst weiter. Unbedingt. So sehr, dass ich die Krone schließlich mit zitternden Fingern anhob und mir auf den Kopf setzte.
Prompt stand ich nicht mehr in dieser Kammer. Ich befand mich auf einem hohen, zerklüfteten Gipfel, von dem man auf ausgedehnte Ebenen hinuntersah. Der Himmel war dunkel und schwer von Wolken, und zwischen ihnen tanzten Blitze. Unten, im Flachland, erstreckten sich Heere, so weit man sehen konnte. Heere von Feinen und Geistern und den unzähligen Kreaturen der Anderswelt. Die Krone lag schwer auf meinem Kopf und nutzte überhaupt nichts gegen den Wind, der meine Haare herumpeitschte. Ein Gewand aus indigofarbenem Samt umhüllte meinen Körper, und über meinen Schultern hing ein Umhang aus schwarzem und silbrigem Pelz. In der linken Hand hielt ich meinen Zauberstab und in meiner rechten Armbeuge ein Baby.
Es war in weiße Tücher eingewickelt und hatte die Augen geschlossen. Über seinen Kopf zog sich ein feines
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