Dark Swan: Schattenkind (German Edition)
sichtlich gelitten, sagte Dorian. »Genau wie wir.«
Dann machte ich einen heftigen Gedankensprung, aber ich war mir meines Bauchgefühls ziemlich sicher. »Ihr wollt euch Varia unterwerfen, nicht wahr?« Es war nur folgerichtig. Für einen Aufstand machten sie zahlenmäßig nicht genug her, aber sie kamen mir, von ihrem abgerissenen Äußeren abgesehen, auch nicht gerade wie einfache Leute vor. Sie waren bestimmt als Unterhändler ausgesandt worden. »Wir auch.«
Einige von ihnen bewegten sich unbehaglich. »Es ist für unser Volk das Beste«, sagte die Frau beinahe rechtfertigend. »Das allein zählt.«
»Aber ja.« Ich versuchte, mitfühlend zu klingen. »Es ist nichts, für das man sich schämen müsste.«
»Davon kann auch keine Rede sein«, sagte sie. Es war eindeutig ein heikles Thema, was ich absolut verstehen konnte.
Der Blonde ließ sein Schwert sinken – ein sehr gutes Zeichen. »Wollt ihr nach Wisiwele?«
»Ja«, sagte Dorian rasch, bevor sich noch jemand verplapperte. Er ließ ebenfalls sein Schwert sinken. »Wir gehen davon aus, dass man dort die Königin finden kann. Ein Führer hat uns eine Wegbeschreibung gegeben.«
»Ihr seid niemals dort gewesen?«
»Nein.«
Der Sprecher wandte sich um und sagte leise etwas zu seinen Leuten. Die meisten nickten, aber ein paar schüttelten auch nachdrücklich den Kopf, darunter die Frau. Schließlich richtete der Blonde seine Aufmerksamkeit wieder auf uns. »Wir kennen den Weg. Wenn ihr möchtet, könnt ihr mit uns reisen. Wir werden alle etwas davon haben, wenn es das nächste Mal gegen die Friedenswächter geht.«
Ich sah fragend zu Dorian, der knapp den Kopf schüttelte. »Was sind Friedenswächter?«
»Nichts so Schönes, wie es sich anhört«, sagte die Frau mit finsterem Gesicht. »Königin Varia lässt in ihren Vasallenreichen gewisse Zauber und Hindernisse zurück, um dafür zu sorgen, dass sie nicht aus der Reihe tanzen. Die Einwohner können ihnen aus dem Weg gehen, sodass ihnen nichts passiert … solange sie nichts tun, was Varia missfällt. Außerdem halten die Friedenswächter Leute von außerhalb ab.«
Kiyo trat vor: »Würdet ihr sagen, dass eine Gruppe Dryaden solche, ähm, Friedenswächter sein könnten?«
Die Frau nickte ernst. »Durchaus. Sie lassen sich hervorragend gegen Fremde einsetzen – aber man kann sie auch leicht dazu bringen, die Einheimischen in Ruhe zu lassen.«
»Entschuldigt uns einen Moment«, sagte ich.
In der Hoffnung, nicht hinterrücks angegriffen zu werden, wandte ich mich um und ging zusammen mit Dorian zu unseren Leuten zurück. »Ich traue ihnen nicht«, sagte Rurik sofort.
»Das empfiehlt sich auch nicht«, sagte Dorian. »Nur ein Stück weit. Denn ihr Wissen über das Eibenland und über diese ›Friedenswächter‹ könnte sich als nützlich erweisen. Es wäre mehr als hilfreich gewesen, wenn wir darüber schon vor der Begegnung mit diesen Maiden Bescheid gewusst hätten.«
»Volusian konnte es gar nicht wissen«, sagte ich und staunte selber, dass ich meinen Hilfsgeist verteidigte.
Kiyo seufzte. »Mir gefällt die Vorstellung nicht, mit Fremden unterwegs zu sein, aber wir können definitiv alle Informationen gebrauchen, die wir kriegen können.«
»Umgekehrt sind sie anscheinend auch nicht sonderlich glücklich damit, uns als Weggefährten zu haben«, sagte Pagiel. Das war sehr aufmerksam beobachtet. »Wir hätten wahrscheinlich ziemlich unsere Ruhe, bis wir nach Wisiwele kommen. Und wer weiß, vielleicht können sie uns sogar mit der Stadt helfen.«
»Dann sind wir uns einig?«, fragte ich in die Runde. Als mir Ruriks finstere Miene auffiel, fügte ich hinzu: »Ist schon gut. Haltet eure Waffen ruhig griffbereit. Und die Wachen werden verdoppelt.«
Das beschwichtigte ihn ein bisschen, und als wir dem Hauptmann der Hemlockleute – der, wie sich herausstellte, Orj hieß – unsere Entscheidung mitteilten, hatte ich den Eindruck, dass ihre Gruppe eine ähnliche Besprechung zu Reisemodalitäten und Schutzvorkehrungen hinter sich hatte. Also ritten wir zusammen weiter, voller Wachsamkeit, aber auch mit einem Gefühl von Solidarität. Zahlenmäßige Größe hatte schon etwas Beruhigendes.
Anfangs unterhielten wir uns kaum mit unseren neuen Weggefährten. Als wir unser Nachtlager aufschlugen, legte sich die Anspannung ein wenig. Jede Gruppe steuerte etwas zum Essen bei, und eine gemeinsame Mahlzeit ermuntert irgendwie zu freundschaftlichem Umgang, zumal unter den Feinen, die sehr viel Wert auf
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