Dark Swan: Schattenkind (German Edition)
darauf, die Frage nicht direkt zu beantworten. »Vielleicht ist es das. Vielleicht auch nicht. Vielleicht würde es davon abhängen, wie viele bereit wären, sich gemeinsam gegen sie zu stellen.«
Verschiedene Emotionen huschten über Aleas Gesicht, als ob sie diese Debatte schon oft mit sich selbst geführt hatte. Dann überkam sie ein Ausdruck der Resignation, und ich vermutete, dass sie zu demselben Schluss gekommen war wie schon unzählige Male zuvor, zu demselben Schluss, der sie hierhergeführt hatte.
»Nein. Das Risiko ist zu groß.« Sie stand abrupt auf. »Verzeih. Ich habe dich schon zu lange am Schlafen gehindert.«
Sie stapfte ohne ein weiteres Wort zu ihrer Decke davon. Ich kuschelte mich ein und merkte erst jetzt, wie erschöpft ich war. Kurz bevor ich einschlief, öffnete ich noch einmal die Augen und sah zu Alea hinüber. Sie saß auf ihrer Decke und starrte voller Schmerz und Unschlüssigkeit ins Feuer.
Kapitel 18
Seit der ersten Erwähnung der ›Friedenswächter‹ standen mir die Dryaden als Beispiel vor Augen. Ich ging davon aus, dass wir auf ganz ähnliche Hindernisse stoßen würden: Wesen oder Monster, die mit Magie oder roher Kraft überwunden werden mussten. In gewisser Weise traf diese Definition auch auf die diversen arktischen Kreaturen zu, denen wir unter der Plage begegnet waren. Sie suchten sich ihre Opfer unter denjenigen, die nicht zu Varias Spießgesellen zählten. Dementsprechend hielt ich die Augen nach lebendigen Feinden offen, nicht nach unbelebten, wodurch die Überraschung umso größer wurde, als die Straße am nächsten Morgen in einer Wasserfläche endete.
Wir hatten gerade in ein Vasallenreich übergewechselt, aber solche Wechsel kamen jetzt, wo wir uns dem Herzen des Eibenlands näherten, immer seltener vor. Der Großteil unseres Weges führte nun durch das Eibenland. Unsere neuen Weggefährten hatten bereits erklärt, dass wir bald auf einen Abzweig zur Hauptstadt stoßen würden. Das stimmte mit Volusians groben Richtungsanweisungen überein; darum war ich optimistisch, diesen Abzweig bei der nächsten Kehre ins Eibenland schon sehen zu können.
Wie vieles in der Anderswelt erschien der See aus dem Nichts. In dem einen Moment zockelten wir noch die Straße hinunter, im nächsten war dort Wasser, so weit das Auge reichte. Mein Pferd scheute und blieb stehen, und ich teilte sein Unbehagen. Die Wasseroberfläche war unnatürlich glatt und still, als würde sich vor uns eine Glasscheibe ausdehnen. Ein Ende war nicht zu sehen.
»Das ist eine optische Täuschung, oder?«, fragte ich und deutete vage nach vorn. »Das Wasser kann nicht endlos weitergehen. Das ist doch so etwas Ähnliches, wie wenn ein Königreich anscheinend endlos weitergeht und man zwei Schritte später plötzlich in einem anderen steht.«
»Ja und nein«, sagte Dorian. »Das Wasser geht höchstwahrscheinlich nicht endlos weiter. Das Falsche daran ist, dass die Hauptstraßen dieser Welt normalerweise keine solchen Hindernisse und Widrigkeiten aufweisen. Bedenke, dass die Straßen selbst in den heimgesuchten Ländern einigermaßen frei bleiben. Dafür sorgt ihre Magie. Damit dieser See hier sein kann, musste jemand gehörig schuften.«
»Varia zum Beispiel«, vermutete Rurik.
Orj nickte, stieg ab und ging mit einem verächtlichen Grinsen zum Ufer. »Das ist ein Friedenswächter. Höchstwahrscheinlich gibt es einen Spruch oder einen Talisman, mit dem die Leute hier aus der Gegend den See umgehen oder verschwinden lassen können. Wir anderen, wir müssen entweder kehrtmachen oder austüfteln, wie wir da hindurchkommen.«
Pagiel neigte den Kopf zur Seite. »Ist er denn überhaupt tief? Vielleicht können wir ihn einfach mit den Pferden durchwaten.«
Jasmine war schneller als ich. »Er ist tief. Es geht gleich am Ufer ziemlich steil runter … aber er erstreckt sich nicht so weit, wie es ausschaut.« Sie sah mich an. »Spürst du es auch?«
Ich öffnete meine magischen Sinne und verband mich mit dem Wasser, versuchte, dasselbe zu erspüren wie sie. Und richtig, mein Verdacht einer Illusion bestätigte sich. Das Wasser erstreckte sich nicht endlos, aber es war sehr tief, und die Strecke war lang genug, um uns gehörig aufzuhalten.
»Mehr, als ich bewegen kann«, fügte Jasmine hinzu.
»Bei mir genauso«, bestätigte ich rasch.
Sie zog die Augenbrauen hoch. »Von wegen. Du könntest das Teil komplett verschwinden lassen, wenn du wolltest.«
»Nein«, sagte ich nachdrücklich und hoffte, dass ihr
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