Dark Swan: Schattenkind (German Edition)
magisch Begabte, und die werden spüren, wenn Ihr etwas unternehmt.«
Sie traten nach draußen und schlossen mich ein. Ich verpasste der Tür einen kräftigen Tritt, aber das war nur zum Abreagieren. Was nicht funktionierte. Ich war im vollen Besitz meiner Feinenmagie und konnte nichts unternehmen, solange sie die anderen als Geiseln hielten. Ich starrte auf meine Packtasche. Zuerst hatte ich nicht die Absicht, mich ›zurechtzumachen‹. Ich wollte dieses Miststück nicht beeindrucken. Dann begriff ich jedoch, dass es weniger darum ging, sie zu beeindrucken, als vielmehr darum, nicht bloß wie eine verdreckte Gefangene auszusehen. Ich war die Königin zweier Länder, und ich hatte sie mir verdient – und nicht wie Varia durch Erpressung unter den Nagel gerissen.
Nicht, dass ich mit solchen begrenzten Mitteln viel ausrichten konnte. Mein letztes Bad war noch nicht so lange her, und mit dem hier vorhandenen Wasser konnte ich die jüngsten Flecken beseitigen. Ich kämmte mir die Haare zu einem einigermaßen ordentlichen Pferdeschwanz und zog meinen letzten sauberen Pulli an, der grün und mit Schneeflocken verziert war. Mal ehrlich, mussten denn alle Winterpullis einen auf Weihnachten machen? Wenigstens hatte ich noch meinen Schmuck, der ein bisschen was hermachte.
Schmuck …
Mir kam eine seltsame, ziemlich beknackte Idee. Rasch nahm ich meine Ringe, Armbänder und die Halskette ab und breitete sie auf dem Bett aus. Ich sah mir die Halbedelsteine an. Mondstein, Amethyst, Citrin, Quarz, Obsidian und noch ein paar andere. Als Schmuckstücke getragen, waren ihre Kräfte passiver Natur; sie dienten der Abwehr und unterstützten meine geistige Klarheit beim Bündeln der Schamanenmagie. Ich suchte diejenigen heraus, die sich für mehr benutzen ließen, und legte den restlichen Schmuck wieder an. Dann machte ich mich an die mühsame Aufgabe, die ausgewählten Steine aus den Fassungen zu lösen. Da mir keinerlei Werkzeug zur Verfügung stand, musste ich mit den harten Plastikkanten meiner Zahnbürste und meines Kammes auskommen. Erstaunlicherweise gelang es mir, aber elegant war die Methode nicht.
Als Nächstes griff ich mir den wackeligen Stuhl und versuchte, eines der Beine abzubrechen. Mit bloßen Händen, weil das Holz total alt und verrottet aussah. Aber denkste. Also schlug ich ihn ein paarmal gegen die Wand – was hoffentlich niemand draußen hörte. Das machte das Holz mürbe genug, dass ich schließlich ein Bein abreißen konnte.
Ich ging wieder zu meiner Packtasche, fand einen Kniestrumpf (der leider schon getragen war) und stopfte sämtliche Halbedelsteine hinein. Dann schlang ich den Strumpf um das Stuhlbein und machte einen Knoten, sodass das Bündel fest saß und die Steine nicht herausfallen konnten. Zufrieden betrachtete ich mein Werk.
Ich hatte gerade den dürftigsten, armseligsten Zauberstab der Geschichte gebastelt.
Er konnte in keiner Weise mit meinem beschlagnahmten mithalten, aber vom Prinzip her stimmte das meiste. Das Holz würde mir gestatten, meine Magie durch die Steine zu bündeln, gestützt auf den ihnen innewohnenden Fähigkeiten. Es wäre besser gewesen, die Steine wären vorher mit einem anständigen Zauber belegt worden, aber schließlich gab es an diesem Zauberstab vieles, das hätte besser sein können.
Ich sah sicherheitshalber zur Tür, stand auf und streckte den Zauberstab vor. Diese Magie war schamanisch, Menschenmagie. Für die Feinen draußen konnte sie eigentlich nicht wahrnehmbar sein. Ich sprach die Beschwörungsworte für Volusian und spürte, wie die Magie stockte, als sie durch den Zauberstab ging. Dennoch war sie stärker als ohne dieses Hilfsmittel. Mir fiel wieder ein, welche Anstrengung es mich das letzte Mal gekostet hatte; darum richtete ich meine gesamte Konzentration auf den Strom der Magie und versuchte, den Zauber des Landes zu brechen, der Volusians Bindung an mich blockierte.
Gegen alle Vernunft erschien Volusian genau in dem Moment, als ich glaubte, versagt zu haben, in der Zelle. Er flimmerte wieder, machte aber nicht den Eindruck, sich gleich wieder aufzulösen. Die Bande zwischen uns hatten sich schwer durchsetzen können, aber jetzt schienen sie stabil zu sein. Volusian sah sich um, dann blieb sein Blick an meinem ›Zauberstab‹ hängen.
»Meine Herrin hat mich … damit gerufen?«
»Meine Mittel waren ziemlich beschränkt«, sagte ich und setzte mich auf die Matratze.
»Ich würde das als Beleidigung empfinden«, sagte er, »allerdings beleidigt
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