Dark Swan: Schattenkind (German Edition)
Färbung auf geschmacklose Weise an Weihnachten erinnerte, ihre gezackten Kiemen standen auch noch wie ein Kragen von ihrem Körper ab. Ihr Maul war voller scharfer Zähne und mehr als groß genug, um jemanden mit einem Happs zu verschlingen.
»Echt wahr?«, fragte ich bestürzt. »Uns bleibt mal wieder nichts erspart?«
»Lauf!«, rief Dorian ohne jede Spur von Leichtfertigkeit. »Wir sind fast da.«
Es stimmte. Wir hatten schon zwei Drittel des Weges geschafft. Ich achtete darauf, dass ich das Wasser unter Kontrolle behielt, und sprintete los. Ich konnte das Ende der Brücke sehen und wusste, dass ich die andere Seite jeden Moment erreichen musste, als die Schlange erneut fauchte – praktisch direkt hinter mir. Ich fuhr herum und sah gerade noch, wie sie sich auf Dorian stürzte. Er hechtete weg, landete auf dem Boden. Unglücklicherweise unterbrach das seine Konzentration auf die Brücke. Ich besaß Geistesgegenwart genug, sie weiterhin mit dem Wasser zu stützen, aber nur da, wo wir standen. Hinter uns zerfiel sie, und Steine und Erde sackten ins Wasser.
Ich hielt Dorian meine Hand hin. »Komm.«
Dorian war gerade aufgestanden, da brach die Schlange wieder aus dem Wasser hervor, mit einer Schnelligkeit, die kaum zu ihrer Größe passte, und warf ihn erneut zu Boden. Eine ihrer spitzen Kiemen oder Flossen oder wie immer man das nannte traf seine Stirn, die sofort zu bluten begann. Weitere Teile der Brücke zerbröckelten, und ich befahl dem Wasser scharf, sie nicht aufzunehmen. Doch da die Schlange schon zu dem nächsten Angriff zurückkam, wusste ich, dass es nicht reichte, um die Brücke aufrechtzuerhalten. Ich reagierte schnell mit dem erstbesten Einfall.
Ich entfernte sämtliches Wasser um die Schlange herum.
In dem einen Moment war dort noch Wasser, im nächsten nicht mehr. Einen Teil schob ich einfach beiseite à la Rotes Meer, den Rest ließ ich verdunsten. Das erzeugte eine beachtliche Menge Nebel, aber das Ergebnis des Ganzen war dennoch deutlich zu sehen. Die Schlange hatte nichts mehr, in dem sie schwimmen konnte, und wie Jasmine und ich festgestellt hatten, war der See tief. Da besagter See nicht mehr da war, um die Schlange zu tragen, stürzte sie prompt in den Abgrund, der mitten in seinen Wassern entstanden war.
»Beeindruckend«, brachte Dorian hervor, als er mit meiner Hilfe wieder auf die Beine kam. Ich wollte mir seine Kopfverletzung ansehen, aber dazu fehlte die Zeit. Lange konnte ich nicht gleichzeitig die Brücke nach oben drücken und den Abgrund offen halten.
»Ich bin nur froh, dass das niemand von den anderen sehen konnte«, sagte ich, als wir die letzten Meter der zerfallenden Brücke hinter uns brachten. Wir gingen hintereinander, aber ich ließ seine Hand trotzdem nicht los.
Das Land veränderte sich, und plötzlich hatten wir wieder festen Boden unter den Füßen – richtigen festen Boden. Um uns herum standen die großen immergrünen Bäume des Eibenlands, und unter uns lag die vertraute Straße durch die Anderswelt. Ich lachte vor Erleichterung. Dorian begann ebenfalls zu lächeln, aber dann schaute er plötzlich erschrocken an mir vorbei. Ich fuhr herum.
Zwei Dutzend Soldaten versperrten die Straße und hielten unsere Freunde fest, die gefesselt waren. Auffallend frei bewegen konnten sich dagegen die Leute aus dem Hemlockland. Sie standen ein Stück abseits, die Waffen gezogen – und auf uns gerichtet.
Einer der Soldaten trat vor und bedachte uns mit einem frostigen Lächeln und einer spöttischen Verbeugung. »Königin Eugenie, König Dorian. Gestattet mir, mich vorzustellen. Ich bin Gallus, Oberbefehlshaber der Streitmächte Ihrer Majestät, Königin Varia. Wir werden Euch zu ihr geleiten.«
Kapitel 19
Ich war nur einen Moment lang wie vor den Kopf geschlagen, dann hatte ich mir das Ganze zusammengereimt.
Ich starrte Orj und seine Leute finster an. »Das wird mich lehren, Fremden noch mal einen Vertrauensvorschuss zu geben.«
Gallus lachte. »Falls es Euch damit besser geht, Ihr wurdet gleich bei Eurer Einreise ins Buchenland identifiziert.« So viel dazu, dass Dorian die Anführerin des Buchentrupps um den Finger gewickelt hatte. »Selbst ohne die Hilfe dieser Leute hier hätten wir Euch festgenommen, bevor Ihr nach Wisiwele gelangt wäret. Sie haben uns lediglich mit einer Beschreibung Eurer Personen und magischen Fähigkeiten bei der Identitätsfeststellung unterstützt.«
Ich sah zu Alea hinüber, deren gefleckter Falke nun wieder auf ihrer Schulter saß.
Weitere Kostenlose Bücher