DARK TRIUMPH - Die Tochter des Verräters
Seite hat, gibt er seinen Soldaten das Zeichen, sich hinter die Burgmauern zurückzuziehen. Besser die Verluste minimieren, als weitere Männer in diesem aussichtslosen Kampf zu vergeuden.
Die Schlacht unter mir ist fast vorüber. Nur ein einziger Ritter kämpft noch, ein Bulle von einem Mann, der nicht den Verstand hat, so schnell zu sterben wie die anderen. Sein Helm ist ihm vom Kopf geschlagen worden, und drei Pfeile stecken in seiner Rüstung, die an einem Dutzend Stellen eingedellt ist. Sein Kettenhemd ist zerrissen, und die Schnitte darunter bluten heftig, aber trotzdem kämpft er immer noch mit einer fast unmenschlichen Stärke und stolpert immer weiter vorwärts in die Masse seiner Feinde. Es ist alles in Ordnung, würde ich ihm gern sagen. Deine junge Herzogin ist sicher. Du darfst in Frieden sterben und dann wirst du ebenfalls sicher sein.
Sein Kopf ruckt von dem Schlag, den er gerade empfangen hat, und über die Entfernung treffen sich unsere Blicke. Ich frage mich, welche Farbe seine Augen haben und wie schnell sie wohl glasig werden, wenn der Tod ihn zu sich ruft.
Dann prescht einer von d’Albrets Männern vor und erdolcht das Pferd des Ritters. Der stößt ein langes, verzweifeltes Brüllen aus, als er fällt, und im nächsten Moment stürzen sich seine Feinde auf ihn wie Ameisen, die um einen Brocken Fleisch herumkrabbeln. Der Todesschrei des Mannes erreicht mich ganz oben auf dem Turm, dringt tief in mein Herz und ruft mich, sich ihm anzuschließen.
Eine grimmige Welle der Sehnsucht schwillt in mir an, und ich bin eifersüchtig auf diesen Ritter und das Vergessen, das ihn nun einholt. Er ist jetzt frei, genau wie die sich versammelnden Geier, die über ihm kreisen. Wie leicht sie kommen und gehen, wie hoch sie über der Gefahr fliegen. Ich bin mir nicht sicher, ob ich in meinen eigenen Käfig zurückkehren kann, einen Käfig, der aus Lügen und Argwohn und Angst gebaut ist. Einen Käfig, so voller Dunkelheit und Schatten, dass er geradeso gut der Tod sein könnte.
Ich beuge mich vor und lehne mich zwischen den Zinnen hinaus. Der Wind zupft an meinem Umhang und zerrt an mir, als wolle er mich im Flug davontragen, genau wie die Vögel oder die Seele des Ritters. Lass los, ruft er. Ich werde dich weit, weit fortbringen. Ich will über das berauschende Gefühl lachen. Ich werde dich auffangen, pfeift er verführerisch.
Würde es wehtun?, frage ich mich und starre hinunter auf die scharfkantigen Felsen. Würde ich den Moment meiner Landung spüren? Ich schließe die Augen und stelle mir vor, durch den Raum zu schießen, tiefer und tiefer, meinem Tod entgegen.
Würde es überhaupt funktionieren? Im Kloster waren die Schwestern Mortains genauso knauserig mit ihrem Wissen über unsere todbringenden Fähigkeiten und Talente wie ein Geizkragen mit seinen Münzen. Ich verstehe nicht zur Gänze all die Kräfte, die der Tod mir verliehen hat. Außerdem hat der Tod mich bereits zweimal abgelehnt. Was, wenn Er es ein drittes Mal täte und ich den Rest meines Lebens versehrt und hilflos zubringen müsste, auf ewig der Barmherzigkeit meiner Mitmenschen ausgeliefert? Dieser Gedanke lässt mich heftig zittern und ich trete von der Mauer zurück.
»Sybella?«
Die Panik, die sich hier auf der Burg in meiner Brust eingenistet hat, lodert wild auf, und ich greife nach dem Kreuz, das sich in die Falten meines Rockes schmiegt, denn es ist kein gewöhnliches Kruzifix, sondern ein schlau getarntes Messer, das das Kloster für mich entworfen hat. Noch während ich mich umdrehe, reiße ich die Augen auf, als sei ich aufgeregt, und verziehe die Mundwinkel zu einem entwaffnenden Lächeln.
Julian steht in der Tür. »Was tust du hier draußen?«, fragt er.
Ich lasse meine Augen vor Vergnügen blitzen – als freute ich mich, ihn zu sehen, statt entsetzt darüber zu sein –, dann drehe ich mich wieder zu den Zinnen um, um mich zu fassen. Ich schiebe all meine wahren Gedanken und Gefühle tief in mein Herz, denn obwohl Julian der Freundlichste von ihnen allen ist, ist er kein Narr. Und er hatte schon immer die Fähigkeit, mich zu durchschauen. »Ich sehe dem Gemetzel zu.« Ich sorge dafür, dass meine Stimme vor Aufregung schnurrt. Zumindest hat er mich erst gefunden, nachdem ich Ismae warnen konnte.
Er tritt neben mich an die Mauer, so dicht, dass unsere Ellbogen einander berühren, und wirft mir einen erstaunten Blick zu. »Du wolltest zuschauen?«
Ich verdrehe geringschätzig die Augen. »Es spielt keine Rolle. Der
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