Dark Village 02 - Dreht euch nicht um
Strähnen schimmerten golden in der Sonne. Benedictes Lippen waren knallrot und sie trug eine große schwarze Sonnenbrille mit ver spiegelten Gläsern.
I’m a Barbie girl,
in the Barbie world.
„Hast du was gesagt?“, fragte Benedicte. Sie kramte in ihrer Tasche nach dem Handy. Es spielte Aqua in voller Lautstärke: Life in plastic, it’s fantastic.
„Hmm?“, machte Nora und seufzte. Vielleicht war das ein Zeichen. Hätte das Handy nicht geklingelt, wäre sie mit ihrer ganzen idiotischen Leidensgeschichte rausgeplatzt!
Benedicte klappte das Handy auf und hielt es ans Ohr. Mit der anderen Hand signalisierte sie Nora: Warte mal kurz.
„Ja, hallo?“
„Ich weiß es“, sagte Wolfmans Stimme.
„Was?“
„Ich weiß, wie wir den Typen drankriegen, diesen Nick. Ich weiß, wie wir ihn fertigmachen können. Komplett.“
„Warte“, sagte Benedicte, nahm das Telefon vom Ohr und drückte es an die Brust. Sie lächelte Nora an und flüsterte: „Geh schon mal vor, ich komme gleich nach.“
8
„Jetzt warte doch mal!“, rief Vilde. Sie war direkt hinter ihm.
Nick ging langsamer. Sie tauchte neben ihm auf.
„Wir müssen reden“, sagte sie.
„Ja!“ Er klang gereizt. Aber war das ein Wunder? Er brauchte Luft, er brauchte Platz, er brauchte Zeit zum Nachdenken!
Was, wenn Nora ihn und Vilde wirklich gesehen hatte? Was zum Teufel sollte er dann tun? Langsam liefen sie weiter. Zu beiden Seiten drängten sich Leute vorbei. Schließlich packte Vilde ihn am Jackenärmel und zog ihn zur Seite.
Nick blickte die Straße entlang. Nora kam allein über den Schulhof auf sie zu. Sie war vierzig, fünfzig Meter entfernt, in höchstens einer halben Minute würde sie bei ihnen sein.
„Wir sagen es ihr“, platzte er heraus.
Vilde folgte seinem Blick. „Bist du verrückt!“
Ja , dachte Nick. Ich bin verrückt, ich bin bereit, es zu riskieren! Wir erzählen ihr die ganze Geschichte. Das ist immer noch besser, als wenn sie glaubt, dass Vilde und ich zusammen sind! Alles ist besser als das! Vielleicht begreift sie, dass ich die Viksveen nicht töten wollte. Vielleicht mag sie mich trotzdem noch!
„Wenn sie uns gesehen hat“, flüsterte er, „wenn sie weiß, dass wir in dem Haus waren … Sie wird das Schlimmste annehmen, sobald rauskommt, dass die Viksveen tot ist. Es ist besser, wir sagen ihr jetzt die Wahrheit!“
„Aber … aber“, stotterte Vilde. Ihr war, als hätte jemand sie aus heiterem Himmel von hinten niedergeschlagen.
Sie konnten es nicht sagen! Jedenfalls nicht Nora!
Vor allem nicht Nora! Sollte Nora etwa erfahren, dass sie – Vilde! – halb nackt und halb tot vor Angst, Scham und Lust in Synnøve Viksveens Wohnzimmer gestanden hatte, zu allem be reit!?! Dass sie – Vilde! – in Trine verliebt war!?! Sollte die liebe, verständnisvolle Nora, die noch nie irgendwas falsch gemacht hatte, von all dem Dunklen, Schweren, Kaputten und Verbote nen erfahren!?!
„Es ist nicht raus, dass sie uns gesehen hat!“
„Du hast selbst gesagt, dass …“
„Ich bin mir nicht sicher! Ich habe nie behauptet, dass ich es weiß!“
Nora war auf halbem Weg zu ihnen und jetzt hatte sie sie ent deckt.
Vilde konnte sehen, dass sie zögerte. Es zuckte in ihrem Ge sicht. Soll ich stehen bleiben oder weitergehen? Und ihre Schritte wurden für einen Moment kürzer. Dann schien sie eine Ent scheidung getroffen zu haben. Sie straffte die Schultern und reckte das Kinn und ihre Schritte wurden wieder länger und schneller, viel schneller.
In zehn Sekunden würde sie bei ihnen sein …
„Ich sag es“, flüsterte Nick.
„Nein!“
Einundzwanzig, zweiundzwanzig, dreiundzwanzig …
„Aber wenn sie uns sowieso gesehen hat“, sagte Nick.
„Das wissen wir nicht!“
Vierundzwanzig, fünfundzwanzig, sechsundzwanzig …
„Ich sag’s ihr.“
„Tust du nicht!“ Vilde stemmte ihre Hände gegen seine Brust, als wollte sie ihn wegschieben. Weit, weit weg. Weg von Nora, die immer näher kam, weg von allem, was passiert war und nie, niemals rauskommen durfte.
Siebenundzwanzig, achtundzwanzig …
„Doch“, sagte Nick. „Ich muss.“ Er blickte über Vildes Schul ter. Nora war nur noch ein paar Meter entfernt. Sie hatte den Blick auf den Boden gesenkt, aber da … Jetzt hob sie den Kopf und er konnte in ihre Augen schauen.
Neunundzwanzig.
In dem Moment tat Vilde es. Ihr fiel kein anderer Ausweg ein. Sie musste Nick aufhalten, und es gab nur eine Möglichkeit, um das zu erreichen. Sie küsste ihn.
Vilde
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