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Dark Village 02 - Dreht euch nicht um

Dark Village 02 - Dreht euch nicht um

Titel: Dark Village 02 - Dreht euch nicht um Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kjetil Johnsen
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packte seine Jackenrevers und zog ihn zu sich heran. Nick war völlig überrumpelt. Vilde war fast so groß wie er. Sie lehnte sich an ihn und drückte ihre Lippen auf seinen Mund.
    Und für eine winzige Sekunde erwiderte er den Kuss. Ganz automatisch, es war eine Reaktion seines Körpers, sein Ver stand wollte das gar nicht. Gerade als Nora auf gleicher Höhe mit ihnen war …
    Nick sah sie aus den Augenwinkeln, slow motion wie im Film. Sie warf den Kopf zurück, eine ungewohnt trotzige Geste für ihre Verhältnisse. Ihre Haare flogen nach hinten und sie blin zelte ein paar Mal hastig.
    Dreißig.
    Nick riss sich von Vilde los. Er schob sie weg und drehte sich zu Nora um. Aber es war zu spät. Er konnte gerade noch die Träne in ihrem Augenwinkel sehen. Und schon war sie einen Schritt über den Punkt hinaus, an dem er sie hätte stoppen kön nen, einen Schritt zu weit, um ihr die Hand auf die Schulter zu legen und zu sagen: Ich kann das erklären . Nur einen Schritt, aber es hätten genauso gut hundert Kilometer sein können.
    Und nun begann die Welt sich wieder zu drehen, sie kam rumpelnd in die Gänge. Die Zeitlupe schlug um in normale Geschwindigkeit, und Nora wurde von der Menschenmenge verschluckt, die den schmalen Weg hinunterströmte.
    Schwups. Weg. Scheiße …
    Nick drehte sich wieder zu Vilde um. „Was sollte das denn!?!“
    Vilde atmete schwer, fuhr sich mit dem Handrücken über den Mund und flüsterte: „Jetzt kannst du nicht mit ihr reden.“ Sie krümmte sich vor ihm zusammen wie eine Katze, die einen Buckel macht, die Krallen in den Boden schlägt und die schnee weißen Zähne fletscht.
    „Jetzt hat sie gesehen, wie wir uns küssen, jetzt ist sie sicher, dass wir zusammen sind. Wie willst du ihr jetzt die Wahrheit verklickern? Willst du ihr sagen, dass wir nie ein Wort mitein ander geredet haben, bis du mich gestern zufällig halb nackt in Synnøve Viksveens Wohnzimmer gefunden hast? Glaubst du wirklich, sie nimmt dir das ab? Sie hat gesehen, dass wir uns küssen! Sie glaubt, wir sind zusammen! Wenn du versuchst, ihr was anderes weiszumachen, hört sich das nur vollkommen ver logen an!“

9
    Abend.
    Wieder einmal zog sich Nora vor dem Spiegel aus. Dieselbe rituelle Demütigung wie immer. Sie hatte es nicht anders ver dient. Sie hatte den Jungen, den sie liebte, verloren. An die schlanke, schöne, starke Vilde.
    Oh ja, sie verdiente diesen Anblick – ein bisschen zu gedrun gen, um groß zu sein, ein bisschen zu breit, um dünn zu sein, ein bisschen zu gewöhnlich, um es wert zu sein, dass man sie ansah.
    Nora Mittelmaß.
    Ich werde nie hübsch sein , dachte sie. Und ich werde nie, nie geliebt werden.

6 Tage vor dem Mord
    Talk to me softly
There’s something in your eyes
Don’t hang your head in sorrow
And please don’t cry
    Don’t Cry, Guns N’Roses

1
    Alle Klassen waren aufgefordert worden, sich in der Turnhalle zu versammeln. Es war keine Zeit gewesen, Stühle aufzustellen. Die Schüler standen oder saßen auf dem Boden oder hingen an den Sprossenwänden.
    Der Direktor hatte sich klein und unbeholfen auf der Bühne positioniert. Er sprach in ein Mikrofon mit Wackelkontakt, aber es waren ohnehin nicht viele Worte nötig, um das Wich tigste zu verkünden: Synnøve Viksveen war am Abend zuvor tot in ihrem Haus aufgefunden worden.
    Der Direktor gebrauchte genau diese Worte: Tot in ihrem Haus aufgefunden. Er sagte nichts darüber, woran die Viksveen gestorben war. Es hörte sich an, als berichtete ein Nachrichten sprecher von einem besonders heiklen Todesfall. Einem Selbst mord oder möglicherweise einem Verbrechen …
    Trine hob den Kopf und hielt Ausschau nach Vilde. Es war gar nicht so einfach, sie in der Menge zu entdecken, die plötz lich in Bewegung geraten war. Hier und da wurde getuschelt. Eine Jungenstimme sagte: „Dumm gelaufen.“
    Aber da war Vilde, ganz hinten an der Eingangstür. Sie sah angestrengt aus, hielt die Arme vor der Brust verschränkt und trommelte rastlos mit den Fingern auf den Oberarm.
    Sie braucht ‘ne Zigarette , dachte Trine. Sie war nervös? Na türlich war sie das! Plötzlich hätte sie zu gern gewusst, wie der Abend bei Synnøve Viksveen gelaufen war. Aber sie konnte ja schlecht zu Vilde gehen und fragen : War es schlimm? Tell me all the dirty details … Himmel, nein, natürlich konnte sie das nicht.
    Und jetzt war die Viksveen tot … Langsam ging Trine auf, was das bedeutete. Etwas Schweres ballte sich in ihrem Magen zusammen, stieg den Hals hinauf und

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