Dark Village 02 - Dreht euch nicht um
mal!“
Er starrte auf das Vorschaubild der Datei. Von gestern. Dem letzten Tag in Synnøve Viksveens Leben.
Er doppelklickte auf den Dateinamen und der Mediaplayer öffnete sich. Es dauerte ein paar Sekunden, bis der Film gela den war, dann startete er automatisch, in genauso kristallklarer Qualität wie immer.
Und der Inhalt! Wolfman merkte erst nach einer ganzen Weile, dass er mit offenem Mund dasaß. Er wischte sich mit dem Handrücken über das Kinn. Er hatte die Hemdsärmel auf gekrempelt, die Haare auf seinen Unterarmen hatten sich auf gestellt, während die neue Perspektive, die der Film ihm eröff nete, in seinem Kopf langsam Form annahm.
Wahnsinn. Synnøve Viksveens Tod war vielleicht doch kein so großer Verlust. Vielleicht bot sich dadurch die Chance, die Sache auszubauen, neue Leute zu suchen, neue … Er hatte neue Opfer gedacht, aber das Wort gefiel ihm nicht. Nein, nicht Opfer.
Sagen wir lieber – neue Möglichkeiten …
5
Normalerweise sahen sie sich an. Normalerweise suchten sie den Blick des anderen – quer durch das Klassenzimmer, eine Minute bevor der Unterricht begann und Ruhe einkehrte – und normalerweise hielten sie den Augenkontakt für vier, fünf heiße, aufregende Sekunden. Aber heute nicht.
Erst glaubte Nick, es wäre Zufall. Ein Lächeln lag auf seinen Lippen bereit, für den Fall, dass sie ihn plötzlich anschaute.
Aber das tat sie nicht. Nora vermied es eisern, in seine Rich tung zu blicken, und ihre Körperhaltung signalisierte, dass etwas nicht stimmte.
Zuerst stand sie mit verschränkten Armen und hochgezo genen Schultern an ihrem Tisch. Sie hatte sich von ihm abge wandt, ihr Rücken war leicht gekrümmt. Sie wirkte hart und abweisend.
Als sie sich setzte, waren ihre Bewegungen kurz und abge hackt. Sie rutschte weit auf ihrem Stuhl nach unten und ver schränkte wieder die Arme vor der Brust. Ihre Schultern hoben sich, während ihr Kinn sich senkte. Genauso gut hätte sie brül len können: Lass mich in Ruhe!
Nick war abgemeldet. Shit. Was war das jetzt? Was hatte sie denn? War irgendwas passiert?
Natürlich war was passiert! Einen Tag zuvor hatte er Synnøve Viksveen umgebracht, das war passiert! Aber davon konnte Nora ja nichts wissen. Er musste einen kühlen Kopf behalten, er musste sich zusammenreißen. Er konnte nicht austicken, bloß weil Nora ihn ignorierte!
Aber sie fehlte ihm. Sie fehlte ihm so wahnsinnig! Ich bin deinetwegen hiergeblieben , dachte er und ballte die Fäuste vor sich auf dem Tisch. Nur deinetwegen, Nora! Ich riskiere alles, um noch ein paar Tage länger bei dir zu sein!
Doch sie rührte sich nicht. Sie saß zusammengesunken da, um sich herum eine unüberwindliche Mauer.
Die ihn fernhalten sollte. Es musste seinetwegen sein!
Nick räusperte sich so laut, dass die anderen ihn ansahen. Er starrte wütend zurück und sie wandten sich ab. Erst da be merkte er, dass sie eine Vertretung hatten. Na klar, es war ja eine Viksveen-Stunde. Er hatte den Lehrer, der vorn an der Tafel stand, noch nie gesehen.
„Ich weiß nicht genau, wie weit ihr im Stoff seid, vielleicht könnt ihr was lesen? Jeder für sich? Oder habt ihr was auf dem Arbeitsplan, was ihr machen könnt?“ Der Lehrer schaute auf die Uhr. „Ich müsste eigentlich eine andere Stunde vorberei ten.“
Irgendwer in der ersten Reihe antwortete dem Lehrer, und sie einigten sich darauf, dass sie das Norwegisch-Pensum, das für diese Woche geplant war, vorarbeiten sollten.
Greg hob die Hand. Mongo-Greg. Normalerweise meldete er sich im Unterricht nie freiwillig.
Ein Raunen ging durch die Reihen: Ey, das wird bestimmt lus tig. Alle starrten Greg an und schließlich bemerkte der Vertre tungslehrer ihn auch.
„Ja? Äh. Greg, richtig …? Bitte, Greg.“
„Bleibt sie lange weg?“, nuschelte er.
Der Lehrer runzelte die Stirn. „Ach, du meinst sicher Frau Viksveen? Ich habe leider keine Ahnung.“
„Hoffentlich bleibt sie lange weg“, sagte Greg.
„Wie bitte?“, fragte der Lehrer mit einem kleinen Lachen. Nach dem Motto: Du machst wohl Witze?
„Sie ist nicht nett“, sagte Greg. Todernst.
Ein paar Mädchen kicherten hinter vorgehaltener Hand. Der Vertretungslehrer war offenbar unsicher, wie er mit der Situa tion umgehen sollte. Er verzog das Gesicht.
„Also“, begann er. „Weißt du … Na ja.“
Greg rettete ihn – indem er es auf die Spitze trieb. „Hoffent lich kommt sie nie mehr wieder. NIE MEHR!“, rief er.
Ein paar Jungs lachten laut.
Tommy zischte in der letzten
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