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DARKNET

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Titel: DARKNET Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniel Suarez
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sein Avatar sie einfach nur schweigend an. Durch das Medium des Onlinespiels konnte sie nicht erkennen, was er in diesem Moment dachte, und sie bereute schon, dass sie es gesagt hatte.
    Als er sprach, klang seine Stimme traurig. «Im Kern war die Geschichte wahr, Nat. Ich habe ein paar Details abgeändert, um Menschen zu schützen, die ich liebe. Das musst du doch verstehen. Ich wusste, sie würden Roy einem Lügendetektortest unterziehen. Es war die Wahrheit über mich, es waren nur nicht die exakten Fakten.»
    «Du kannst mir nicht mal deine Geschichte erzählen, erwartest aber von mir, dass ich alles verrate, woran ich glaube. Ich könnte für vierzig Jahre ins Gefängnis wandern, nur weil ich heute hierhergekommen bin.»
    «Warum bist du dann gekommen?»
    Sie starrte auf den Bildschirm, sagte aber nichts.
    Ross’ Avatar ging eine Weile auf der Terrasse auf und ab. Dann wandte er sich wieder ihr zu. «Sobols Spiele bringen dich immer an einen Scheideweg – einen Punkt, wo du selbst über dein weiteres Schicksal entscheidest. Ich war überzeugt, dass es beim Daemon auch so sein würde – und es ist auch so. Wir haben alle die Wahl, Nat. Wir müssen sie nur treffen.»
    Mehrere Sekunden herrschte Schweigen. «Tut mir leid, Jon. Ich habe meine Wahl getroffen.»
    Sie hörte ihn seufzen. Sein Avatar wanderte zu einem niedrigen Marmorpodest. Von dem Stein ging eine blaue Aura aus, was für magische Energie stand. Ross’ Avatar hielt jetzt ein Amulett in der Hand.
    «Falls wir uns nie wiedertreffen, vergiss bitte nicht, dass ich dich geliebt habe.»
    Er legte das Amulett auf die leuchtende Oberfläche des Podests, wo es in einem grellen Lichtblitz verschwand.
    «Jon –»
    In dem Moment wurde sie plötzlich aus dem Spiel geworfen und starrte jetzt auf die Icons eines Computerdesktops.
    In der realen Welt der Bürosuite hörte Philips in einem Nebenraum eine Maschine anspringen – ein Brummen und Sirren.
    Sie beugte sich um den Bildschirm herum und sah ein Kabel, das aus der Rückseite des Computers kam. Philips stand auf und folgte dem am Boden verlaufenden Kabel in eine Art Serverraum. Anstelle von Servern stand da jedoch ein kühlschrankgroßes Gerät. Sie bückte sich und erkannte durch eine getönte Scheibe einen beweglichen Laserkopf. Er fuhr schnell hin und her und bearbeitete offenbar eine Art Metallsubstanz. Nach kurzem Zuschauen wurde ihr klar, dass die Maschine das kleine Amulett produzierte, das Ross’ Avatar in der Hand gehalten hatte.
    Dann hielt die Maschine an, und der Laserkopf zog sich zurück. Die vordere Tür öffnete sich sirrend, und das produzierte Stück lag da vor ihr.
    Vorsichtig nahm Philips das Amulett heraus. Es war immer noch warm und aus einem silbrigen Metall. Und es hatte eine Öse, um es an einem Kettchen zu tragen. Es war klein, etwa so groß wie das Zifferblatt einer Damenarmbanduhr, und die eingravierte Inschrift lautete schlicht: «Ich liebe dich.»
    Sie umschloss es fest mit den Fingern und fragte sich, ob sie die richtige Wahl getroffen hatte.

20 Datenfluch
     
    Loki stand an sechster Position in der Warteschlange eines Schnellrestaurants, als sich plötzlich ein Geschäftsmann dazwischendrängelte. Die Frau vor Loki war nicht ganz aufgerückt, und der Drecksack nutzte die Lücke und tat einfach so, als bemerkte er das Dutzend anstehender Leute gar nicht.
    Die verschüchterte Frau vor Loki nahm es hin, und auch sonst schien niemand willens, Streit anzufangen.
    Loki hatte schon Leute wegen weniger getötet.
    Er stapfte in seinen stahlbeschlagenen Motorradstiefeln und seiner schwarzen Kombi zu dem Mann hin – dessen Rasierwasser nicht nur seine Nase, sondern auch seine Geschmacksknospen beleidigte. «Hey, Arschloch. Das Ende der Schlange ist dahinten.» Loki zeigte zur gegenüberliegenden Wand.
    Der Mann, der mindestens einen halben Kopf größer war als er, hob die Augenbrauen. «Wie haben Sie mich gerade genannt, junger Mann?»
    Loki atmete tief durch. Der Daemon erlaubte ihm nicht, willkürlich zu töten – nur im Rahmen einer legitimen Infrastruktur-Verteidigungsaktion durfte er jemandem das Licht ausblasen. Und er musste potenziell durch einen funktionellen Magnettomographietest unter Beweis stellen, dass er einen solchen Grund gehabt hatte. Er atmete nochmal tief durch. Aber es gab ja Alternativen. «Ich sagte – ARSCHLOCH  – das Ende der Schlange ist dahinten.»
    Die Schlange rückte wieder vor – nur noch eine Person trennte den Mann von der

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