Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
DARKNET

DARKNET

Titel: DARKNET Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniel Suarez
Vom Netzwerk:
sind. Darf ich Sie bitten, hier zu warten, während ich ihn hole?»
    Philips wusste, was zu tun war. Sie konnte entweder auf den Diener rechtsklicken und aus einer Antwortliste auswählen oder … Sie beschloss, direkt ins Headset-Mikro zu sprechen. «Ja.» Sobols Spracherkennung war ziemlich gut.
    Der NSC nickte und sagte lächelnd: «Ausgezeichnet, Mylady. Mein Herr wird bestimmt nicht lange auf sich warten lassen.» Damit ging er davon, wobei er den Hut wieder aufsetzte.
    Das gab Philips etwas Zeit, die Terrasse zu erkunden. Es schien sich um den Garten einer Villa zu handeln, die in die Felswand hineingebaut war. Da waren Brunnen, Statuen und Zierpflanzen. Sie musste zugeben, dass das 3D-Rendering gut gemacht war. Sobols Game-Engine war nicht ohne Grund so beliebt.
    Philips ging zu einem Brunnen, der so etwas darstellte wie Poseidon auf einem von Seepferdchen gezogenen Wagen. Sie blickte in das, wie sie wusste, per Partikelsimulation erzeugte Wasser und sah ihr Spiegelbild. Es war ihr eigenes Gesicht. Ihr Avatar war nach ihrer realen Person gestaltet.
    In der realen Welt lächelte Philips. Ihr Charakter trug ein schönes Kleid, offenbar Seide mit einer Brokatstola. Und er hatte eine glitzernde Halskette aus Edelsteinen um – nichts, was sie im realen Leben je tragen würde, aber hier in Fantasyland würden es ja wohl kaum Blutdiamanten sein.
    «Ich hoffe, das Outfit ist dir nicht zuwider. Ich wusste nicht, was ich nehmen sollte.»
    Philips blickte auf und sah Ross’ Avatar von der Postkarte. Er trug den Lederharnisch und ein Schwert an der Seite – ein wohlhabender Meisterdieb. Wieder lächelte sie in der realen Welt, froh, ihn zu sehen, und sei es auch nur als 3D-Modell.
    «Mr.Ross.»
    Sie gingen bis auf Armlänge aufeinander zu.
    «Ich habe mir solche Sorgen um dich gemacht, Nat.»
    «Mir geht’s gut, Jon.» Sie drehte sich zur Brüstung und der riesigen Höhle. «Was ist das hier?»
    «Gefällt’s dir?»
    «Es ist wunderschön.»
    «Es befindet sich unter dem Königreich Avelar. Nennt sich die Höhle der vergessenen Könige. Ist aus den Überresten einer versunkenen Stadt erbaut. Phosphoreszierendes Moos hat diese Höhle nach Jahrtausenden glazialer Erosion bewohnbar gemacht.»
    «Wow.»
    «Was heißt hier ‹wow›? Was ich gerade gesagt habe, war kompletter Blödsinn. Das hier ist ein Sortiment Bitmap-Texturen, auf ein
3
D-Modell gelegt.»
    «Ach, verdirb doch nicht alles.»
    Er lachte.
«Ist schon erstaunlich, wie das Gehirn einfach so mitspielt. Unsere Bereitschaft, uns etwas vorgaukeln zu lassen, ist ganz schön groß.»
    «Ich habe deine Karte bekommen. Geniales Mittel, um mit einer Steganographie-Expertin zu kommunizieren.»
    «Freut mich, dass sie dir gefallen hat.»
    «Nur ein Problem habe ich damit.»
    «Was?»
    «Die könnte jeder geschickt haben.»
    «Ah … das heißt –»
    «Beweise mir, dass du du bist. Erinnerst du dich, was du als Letztes zu mir gesagt hast?»
    Ross’ Avatar trat näher an sie heran, sodass sein Gesicht direkt vor ihrem war.
«Ich habe dir gesagt, dass jeden Tag mein erster und mein letzter Gedanke du bist.»
    In der realen Welt wurde Philips von Emotionen übermannt. Er hatte es inmitten des Desasters von Gebäude 29 zu ihr gesagt. Sie hatte blind auf einer Mole gelegen und Löschboote kommen hören. Niemand sonst konnte diese Worte kennen. Sie hatte zeitweilig gedacht, sie würde sie nie wieder hören.
    Ross’ Avatar trat einen Schritt zurück.
«Und woher weiß ich, dass du
du
bist?»
    Philips war zuerst irritiert. Aber klar, er hatte recht.
    «Ich hab’s. Sag mir, was ich getan habe, als ich das zu dir gesagt habe.»
    Sie hatte tausendmal daran gedacht. «Du hast mir mit der Hand über die Wange gestrichen. Und obwohl ich dich nicht sehen konnte …»
    Sie hörte ihn lächeln.
«Gott, Natalie, ich hab dich so vermisst. Ich bin ja so froh, dass du okay bist.»
    Sie wollte nur eins – ihn umarmen. Und auf einmal war es schmerzlich, dass das hier nicht die Realität war.
    «Du hast doch hoffentlich darauf geachtet, dass dir keiner folgt.»
    «Jon, wenn sie mich überwachen, dann nicht, indem sie mir hinterherlaufen, und mein Handy habe ich zu Hause gelassen.»
    Sie ließen ihre Avatare ein paar Sekunden schweigend die Terrasse entlangspazieren.
    «Was machen deine Augen, Nat?»
    «Sie erholen sich. Ich werde mein Leben lang Korrekturlinsen tragen müssen, aber es ist nichts Gravierendes.»
    «Du weißt doch hoffentlich, warum ich verschwunden

Weitere Kostenlose Bücher