Darkons Tod
Aborgino mit seinem Zweizack hineinstoßen, überlegte es sich dann aber doch anders und nahm die Hände zu Hilfe, um den Haufen auszubreiten. Ein heiserer Laut der Überraschung entrang sich seiner Kehle, als er dabei auf den leblosen Körper stieß.
Das war Mythors Kleidung. Auch die Größe stimmte.
Vorsichtig drehte Boozam den Mann auf den Rücken. Kein Zweifel, der Sohn des Kometen war mit ihm zusammen hierher verschleppt worden, nur hatte er noch immer nicht wieder die Besinnung zurückerlangt.
Mit der flachen Hand schlug Boozam ihm ins Gesicht. Jetzt erst fiel ihm auf, daß Mythors Körper eiskalt war wie der eines Toten. Er tastete nach dessen Halsschlagader. Nichts.
Das Herz hatte aufgehört zu schlagen. Aber Mythor konnte nicht erst vor wenigen Augenblicken gestorben sein, dann hätte sein Leichnam noch warm sein müssen.
Kurz entschlossen ritzte der Aborgino mit dem Schwert den rechten Handrücken. Die Wunde blutete nicht.
Ein entsetzlicher Verdacht kam in ihm auf.
Auch als er die Pulsadern aufschnitt, zeigte sich nicht die Spur von geronnenem Blut.
Eine Mumme! Kein Zweifel, Boozam hatte eine Mumme Darkons gefunden. Nicht auszudenken, was geschehen wäre, wenn der Herrscher der Finsternis sich in dieser Gestalt unter die Carlumer begeben hätte.
Boozam stockte. Das Ganze ergab keinen Sinn. Bis eben noch hatte er angenommen, daß entweder Darkon oder ein anderer Dämon ihn in das Nest versetzt hatte. Nur – keiner von ihnen konnte wollen, daß ausgerechnet diese Mumme entdeckt wurde.
Ohne länger zu zögern, stieß der Aborgino zu. Und mit jedem Hieb fühlte er sich freier. Der Herr der Finsternis sollte diesen Körper nie besitzen.
Dann floh er zum Rand des Nestes hinauf, irgendwohin, nur weg von hier. Erst jetzt kam ihm in den Sinn, daß er mit der Mumme vielleicht auch Mythor getötet hatte.
Hatten die Dämonen ihm eine Falle gestellt?
War die Mumme zugleich das Spiegelbild für Mythors Sein gewesen, ein Fetisch Schwarzer Magie, beide auf Gedeih und Verderb miteinander verbunden?
Boozam lief vor sich selbst davon, unfähig, auch nur einen klaren Gedanken zu fassen. Der Nestrand bog sich unter seinen Tritten, er strauchelte, stürzte, da war ein zweites Nest, er fiel hinein, breitete instinktiv die Arme aus, um sich abzufangen… Keuchend lag er dann da, krampfhaft nach Luft ringend. Der Angstschweiß rann ihm in Strömen über die Stirn, auch sein Fell war naß. Flüchtig spielte er mit dem Gedanken, selbst seinem Leben ein Ende zu setzen, er wollte kein Werkzeug der Dämonen sein. Aber er konnte es nicht. Das Schwert entglitt seiner sich öffnenden Hand und blieb im Nestgeflecht hängen.
Als Boozam die Klinge wieder an sich nahm, fiel sein Blick auf ein leeres, ausdrucksloses Gesicht, das ihm zugewandt war.
Fronja!
Vom ersten Moment an wußte er, daß , er eine zweite Mumme gefunden hatte.
Nur weg von hier, fort aus diesem Nest, ehe die Versuchung zu groß wurde, auch sie zu zerstören.
Doch die Beine versagten ihm den Dienst. Je verbissener Boozam versuchte, den Rand zu erreichen, desto weiter rutschte er ab. Dann lag er neben Fronja, deren Ähnlichkeit noch nicht so vollkommen war wie die von Mythors Mumme.
Er wollte es nicht, sträubte sich mit allen Fasern seines Körpers dagegen, aber etwas, gegen das er nicht ankämpfen konnte, zwang ihn, die Klinge zu heben. Es war in ihm, und es war wie ein Rausch, der ihn umfangen hielt. Boozam fand erst wieder zu sich, als die Mumme völlig zerstört vor ihm lag.
Er fühlte sich elend und zerschunden, haßte sich selbst. Erst nachdem er sich übergeben hatte, wurde ihm besser. Verschwommen glaubte er, Shayas Gesicht vor sich zu sehen, vernahm ihre Aufforderung, der Hüter des Sohnes und der Tochter des Kometen zu sein, und abermals begann er, wie ein Besessener um sich zu schlagen. Seine Klinge zerfetzte das Nestgeflecht.
Erst ein heller, klingender Ton ließ ihn innehalten. Das Schwert hatte etwas berührt, was härter war als Stahl.
Ein Glitzern sprang Boozam aus dem Gestrüpp entgegen. Er bückte sich, zögernd, unwillig, ungläubig und biß sich auf die Unterlippe, bis der Geschmack warmen Blutes ihn gänzlich in die Wirklichkeit zurückbrachte.
Ein DRAGOMAE-Kristall! Seine Finger verkrampften sich um den Baustein des Zauberbuchs der Weißen Magie. Tief in seinem Innern wurzelte die Erkenntnis, daß Shaya zumindest geahnt hatte, was geschehen würde.
Aber Darkon besaß zwei Kristalle.
Nichts hätte den Aborgino halten können,
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