Darkover 02 - Herrin der Stuerme
blenden, kann ich deutlicher sehen. Ich weiß nun, was Donal ein Leben lang für mich war: eine Illusion. Mein eigener Glaube gaukelte mir das vor, was ich in ihm sehen wollte. Ich …« Dorilys’ Gesicht verschwamm, bewegte sich. Renata sah das Kind, das sie hätte sein können, die Frau, zu der sie geworden war, aber nun nie sein würde. »Ich weiß, daß er für dich bestimmt ist. Ich war zu selbstsüchtig, das zu akzeptieren. Und jetzt habe ich nicht einmal das, was er mir aus eigenem Willen zugestehen wollte.« Sie winkte. »Geh zurück, Renata. Für mich ist es zu spät.«
»Aber was wird aus dir, mein Kind?«
»Du mußt deine Matrix benutzen«, sagte Dorilys, »und mich hinter einem Kraftfeld isolieren … Du hast mir erzählt, daß die Leute von Hali Dinge, die zu gefährlich sind, auf diese Art abschirmen. Du kannst mich nicht töten, Renata. Meine Gabe arbeitet jetzt unabhängig von mir. Ich weiß nicht wie, aber sie wird zuschlagen, um meinen Körper zu schützen, wenn man mich angreift, auch wenn ich nicht mehr länger leben will. Renata, versprich mir, daß du nicht zuläßt, daß ich jene, die ich liebe, weiter zerstöre.«
Es könnte gehen, dachte Renata. Man kann Dorilys nicht töten. Aber man könnte sie hinter einem Kraftfeld isolieren und ihre Lebenskräfte reduzieren.
»Laß mich in Sicherheit so lange schlafen, bis keine Gefahr mehr besteht, mich wieder aufzuwecken«, sagte Dorilys. Renata zitterte. Wenn sie das taten, würde Dorilys in der Oberwelt allein hinter dem Kraftfeld, das selbst ihren Geist abschirmte, allein sein.
»Liebes, was wird dann mit dir geschehen?«
Dorilys’ Lächeln war kindlich und weise zugleich.
»Nun, in dieser langen Zeit – obwohl, das weiß ich, hier draußen Zeit nicht existiert – werde ich vielleicht endlich Klugheit erlernen, wenn ich weiterlebe. Und falls nicht« – sie zeigte ein merkwürdig entrücktes Lächeln –, »es gibt andere, die vor mir gegangen sind. Ich glaube nicht, daß Klugheit je verschwendet wird. Geh zurück, Renata. Laß nicht zu, daß ich noch jemanden töte. Donal ist meiner Reichweite entzogen – und auch der deinen. Aber du mußt zurückgehen und leben – seines Kindes wegen. Es verdient eine Chance.«
Danach fand Renata sich im Sessel der großen Halle von Burg Aldaran wieder. Über den Höhen der Burg brachen sich die Stürme …
»Es könnte gehen«, sagte Allart schließlich bedachtsam. »Zu dritt könnten wir es schaffen. Dorilys’ Lebenskräfte könnten so weit reduziert werden, daß sie keine Gefahr mehr darstellen. Vielleicht wird sie sterben. Vielleicht wird sie aber auch eines Tages wieder aufwachen. Aber es ist wahrscheinlicher, daß sie immer tiefer in ihre Geisteswelt hinabsinkt und eines Tages – vielleicht auch erst in Jahrhunderten – stirbt. In jedem Fall ist sie frei, und wir sind sicher …«
Und so geschah es. Wie Allart es mit seinem Laran vorhergesehen hatte, lag sie reglos auf der Totenbahre in dem großen gewölbten Raum der Burgkapelle.
»Wir werden sie nach Hali tragen«, sagte Allart, »und sie dort für immer aufbahren lassen.«
Lord Aldaran nahm Renatas Hand. »Ich habe keinen Erben. Ich bin alt und allein. Es ist mein Wille, daß Donals Sohn hier regieren soll, wenn ich nicht mehr bin. Es wird nicht lange dauern, Cousine«, sagte er und blickte ihr in die Augen, »willst du mich durch die Catenas heiraten? Ich habe dir nichts anzubieten, außer diesem: Wenn ich dein Kind als meinen Sohn und Erben anerkenne, gibt es keinen Menschen, der mir das bestreiten kann.«
Renata verbeugte sich. »Um Donals Sohn willen. Es soll geschehen.« Aldaran breitete die Arme aus, zog sie an sich, und küßte sie sanft und leidenschaftslos auf die Stirn. Mit dieser Geste brach er alle Barrieren. Zum ersten Mal seit Donals Tod begann Renata zu weinen.
Allart wußte endlich, daß dieser Tod nicht auch Renata treffen würde. Sie würde leben und sich eines Tages erholen. Es würde der Tag kommen, an dem Aldaran Donals Sohn in diesem Raum zu seinem Erben machte, wie er es vorausgesehen hatte …
Bei Tagesanbruch machten sie sich auf den Weg nach Norden. Dorilys’ Körper lag in einem Sarg und war mit einem Kraftfeld versiegelt; man würde sie nach Hali bringen, wo ihre letzte Ruhestätte war. Allart und Cassandra ritten neben ihr.
Hoch über ihnen beobachteten Renata und Dom Mikhail vom höchsten Balkon der Burg, wie sie sich entfernten: schweigend, reglos, von Kummer gebeugt.
Während sie den Pfad hinabritten, dachte
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