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Darkover 02 - Herrin der Stuerme

Darkover 02 - Herrin der Stuerme

Titel: Darkover 02 - Herrin der Stuerme Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marion Zimmer Bradley
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schleudern konnte; doch ihre Gefühle drohten, sie zu übermannen. Sie begriff, daß sie völlig zerbrechen würde, wenn sie die quälenden Erinnerungen nicht vertrieb.
Aber das Grau der Oberwelt schien endlos. Als sie den Turm von Hali verschwommen in der Ferne auftauchen sah, schienen ihr die Glieder nicht mehr zu gehorchen. Dasselbe geschah mit ihren Gedanken, obwohl sie versuchte, sich auf den Turm zu konzentrieren. Sie bewegte sich durch eine graue, unbewohnte geistige Öde …
Dann schien es, als sähe sie weit in der Ferne eine vertraute Gestalt. Sie war jung und lachte, war aber zu weit weg, um sie zu erreichen … Donal! Donal, so fern von ihr! Sie begann, hinter der sich zurückziehenden Gestalt herzueilen, ließ einen Freudenschrei ertönen.
Donal! Donal, ich bin hier! Warte auf mich, Geliebter …
Aber er war zu weit entfernt. Er wandte sich nicht nach ihr um. Mit einem letzten Funken von Vernunft dachte sie: Nein! Es ist verboten. Er ist dorthin gegangen, wohin niemand ihm folgen kann.
Ich will nicht zu weit gehen. Aber ich muß ihn wiedersehen. Ich muß ihn sehen, nur dieses eine Mal und ihm den Abschiedsgruß sagen, um den man uns so grausam betrogen hat… nur dieses eine Mal, und dann nie wieder …
Sie eilte der zurückweichenden Gestalt nach. Ihre Gedanken schienen sie rasch durch das Grau der Oberwelt zu tragen. Als Renata sich umschaute, waren alle vertrauten Geländepunkte und der Ausblick auf den Hali-Turm verschwunden. Sie war allein in diesem Grau, in dem nichts existierte, als die kleine, zurückweichende Gestalt Donals am Horizont, die sich immer weiter von ihr entfernte …
Nein! Das ist Wahnsinn! Es ist verboten. Ich muß umkehren, ehe es zu spät ist. Seit ihrem ersten Jahr im Turm wußte sie, daß die Lebenden nicht in das Reich der Toten eindringen konnten, es nicht durften. Und sie wußte auch, warum. Aber jetzt war fast jede Vorsicht von ihr gewichen. Verzweifelt dachte sie: Ich muß ihn noch einmal wiedersehen, nur einmal, muß ihn küssen, ihm Lebewohl sagen … Ich muß, oder ich kann nicht weiterleben! Sicher kann es nicht verboten sein, ihm nur Lebewohl zu sagen. Ich bin eine geübte Matrix-Arbeiterin. Ich weiß, was ich tue, und es wird mir die Kraft geben, ohne ihn weiterzuleben …
Ein letzter Hauch von Vernunft ließ sie sich fragen, ob es wirklich Donal war, der sich dort am Horizont bewegte und sie ins Nichts lockte. War es nur eine aus Kummer und Sehnsucht geborene Illusion, weil sich ihr Bewußtsein weigerte, die Unwiderruflichkeit seines Todes zu akzeptieren? Hier, im Reich der Gedanken, konnte ihr Geist eine Illusion von Donal erzeugen und ihr folgen, bis sie ihm begegnete.
Mir ist es gleichgültig! Mir ist es gleichgültig! Sie schien jetzt hinter der zurückweichenden Gestalt herzurennen. Dann verlangsamte sich ihre Geschwindigkeit, und sie blieb stehen. Zur Bewegung unfähig, sandte sie ihm einen letzten Verzweiflungsschrei nach: Donal! Warte …
Plötzlich lichtete sich das Grau und wurde dünner. Eine schattige Gestalt versperrte ihr den Weg. Jemand sagte ihren Namen. Es war eine vertraute, sanfte Stimme.
»Renata, Cousine – Renata, nein.«
Vor ihr stand Dorilys. Nicht die schreckenerregende, unmenschliche Flamme, nicht die Herrin der Stürme, sondern die frühere, kleine Dorilys aus dem Sommer ihrer Liebe. In dieser veränderlichen Welt waren alle Dinge so, wie der Geist sie hinmalte. Dorilys war wieder das kleine Mädchen von einst, dessen Haar zu einem langen Zopf geflochten war, während das kindliche Kleid ihr kaum bis zu den Knöcheln reichte. »Nein, Renate, Liebste, es ist nicht Donal. Es ist eine aus deiner Sehnsucht entstandene Illusion. Du würdest ihr umsonst nachlaufen. Geh zurück. Man braucht dich dort… «
Renata schaute in die Halle von Burg Aldaran, wo ihr lebloser Körper, bewacht von Cassandra, auf dem Boden lag.
Sie hielt inne, blickte Dorilys an.
Sie hatte Donal getötet…
»Nicht ich, sondern meine Gabe«, sagte Dorilys. Ihr kindliches Gesicht wirkte tieftraurig. »Ich will nicht mehr töten, Renata. In meinem Stolz und meinem Eigensinn wollte ich nicht hören, und jetzt ist es zu spät. Du mußt zurückgehen und es den anderen sagen: Ich darf nie wieder aufwachen.«
Renata senkte den Kopf. Sie wußte, daß das Kind die Wahrheit sprach. »Sie brauchen dich, Renata. Geh zurück. Donal ist nicht hier«, drängte Dorilys. »Ich selbst wäre beinahe auf die Illusion hereingefallen. Aber jetzt, da Stolz und Ehrgeiz mich nicht mehr

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