Darkover 05 - Zandrus Schmiede
angeht, hast du Recht. Er hat mächtige Fähigkeiten. Ich glaube, er wird eines Tages zum Bewahrer aufrücken, aber ich habe bei ihm noch nie dieses geistige Mitgefühl erlebt, das nötig ist, um die unterschiedlichen Persönlichkeiten in einem Kreis zusammenzubringen und aus ihnen ein einziges, harmonisches Ganzes zu machen. Bei einem anderen Mann, einem, der weniger Talent aufweist, würde ich sagen, die Schuld liege in seinem ureigenen Wesen, aber bei Eduin… Da ist etwas, er enthält uns einen Teil von sich vor, hält ihn verborgen. Und doch«, fuhr er fort, »hat Eduin Hestral gute Dienste geleistet. Seine Loyalität steht außer Frage.«
»Du hast einen Turm mit lauter Individuen erschaffen, die dem Diktat ihres Gewissens folgen«, sagte Varzil, »und nun ist es zu spät, ihnen blinden Gehorsam beizubringen.«
»Ich glaube, du hast Recht«, entgegnete Loryn. »Selbst wenn ich gewusst hätte, was geschehen würde, hätte ich mich nicht anders entschieden.« Ein Lächeln wie Sommersonne auf Wasser huschte über seine erschöpften Züge. Er nahm Varzils dargebotenen Arm und stützte sich darauf, obwohl körperlicher Kontakt unter Telepathen eher unüblich war. »Glaubst du, unsere Brüder da unten haben sich ihr Tagewerk auch aus freien Stücken ausgesucht wie wir?«
»Vermutlich sind nur wenige aus eigenem Antrieb hier«, stimmte Varzil zu, »sondern auf Geheiß ihrer Herren. Und das ist zugleich ihre Stärke und ihre Schwäche.«
»Ja, so ist es. Sollen wir also wirklich Eduins Rat folgen und das Grauen auf sie herabregnen lassen, weil sie zu loyal oder zu verängstigt sind, um gegen ihre Herren aufzubegehren?«
»Du kennst meine Antwort bereits!«, entgegnete Varzil.
»Ach ja, Varzil, der Idealist.«
Loryn begab sich zur Tür. »Nun muss ich die Tagesgeschäfte zu Ende bringen. Ruh dich einstweilen aus. Wir werden unsere gesamte Kraft brauchen, um gegen das bestehen zu können, was sie uns morgen entgegenwerfen.«
42
Bewaffnete brandeten in Gruppen gegen die Tore des Turms von Hestral, nur um zurückgeworfen zu werden. Sie hatten aus ihrem vorigen Scheitern gelernt, denn diesmal trugen nur wenige Metallwaffen. Dafür brachten sie einen Rammbock herbei, eine robuste alte Eiche vom Flussufer, an der viele Zweige noch unbeschädigt waren.
Der Baumstamm krachte gegen das Haupttor.
Varzil fügte sich in den Kreis ein, um die Tore zu stärken. Stunde um Stunde verging, während das Donnern und Schlagen durch den Turm hallte. Die Männer dort unten arbeiteten im wechselnden Einsatz, sodass nach jeder Gruppe, die ermüdete, eine andere ihren Platz einnahm. Sie hörten erst auf, als das Licht am Himmel verschwand.
Varzil hatte gerade die Speisen zu sich genommen, die im Gemeinschaftsraum für ihn bereitgestanden hatten, und war in seine Kammer zurückgekehrt, weil ihn jeder Muskel im Leib schmerzte, als die Wächter hoch oben im Turm einen Ruf ausstießen. Der Angriff wurde fortgesetzt.
Die drei Leronyn in Lyondris Armee traten vor, kaum wahrnehmbar in der zunehmenden Dunkelheit. Sie versammelten sich am Fuß des Hügels, sicher außer Reichweite eines jeden körperlichen Gegenangriffs, und bildeten ihrerseits einen Kreis. Für Varzil, der sie nicht aus den Augen ließ, ähnelte er einem Spinnennetz.
Und sie werden so wenig Macht über uns haben wie die Fäden, die sie spinnen, erklang Serenas mentale Stimme.
Varzil war sich nicht so sicher. Was wussten sie alle denn schon von Laran-Kriegsführung, bei der ein Turm gegen einen anderen vorging, bis auf das, was Balladen und Legenden enthielten? Allart Hasturs Frieden hatte eine Zeit gebracht, in der solche Gräuel in Vergessenheit geraten waren.
Die Bannsprüche kamen wie Fäden aus Dunkelheit den Hügel heraufgekrochen. Von Mal zu Mal nahmen sie mehr Substanz an. Sie schossen auf die Mauern zu, als wollten sie ihre schlanken Spitzen zwischen die Mörtelteilchen schieben und durch die Poren des Gesteins eindringen.
Bei jeder Berührung spürte Varzil den Funken aufeinander prallender Energien, während die Laran-Schilde hielten. Das blaue Leuchten verstärkte sich. Er richtete seine ganze mentale Kraft auf das Muster, das Loryn den Mauern unten eingeprägt hatte.
Haltet… haltet… haltet… , pulste es durch den Kreis, jede Silbe ein Herzschlag. Varzil kannte keinen anderen Gedanken mehr, als dass die Energon-Flüsse jedes Körnchen Stein und Mörtel binden mochten. Vor seinem geistigen Auge sah er die Mauern als ein Gespinst aus
Weitere Kostenlose Bücher