Darkover 06 - Die Flamme von Hali
Wie sie geplant hatten, trug er ein gegürtetes weißes Gewand mit einer Kapuze. Eduin versah ihn mit Glanz, sodass Saravios Gestalt von innen zu leuchten schien, als er die Arme hob.
»Nieder mit den Teufeln aus den Türmen! Keine Tyrannen mehr!«
Eine Hand voll Männer war selbst auf die Idee gekommen, eine Puppe aus schmutzigem Stroh auf einem Stab zu platzieren und in Streifen von rotem Tuch zu wickeln. Auf den Sack um den Kopf der Puppe hatten sie ein primitives, beinahe obszönes Grinsen gemalt, und an einer Schnur um ihren Hals hing eine Glasscherbe.
Eduin schauderte. Saravio war erfolgreicher gewesen, als er erwartet hatte. Er hatte diese Leute zu einer Waffe geschmiedet, die so mächtig war wie Haftfeuer . Ihre Emotionen, deutlich im psychischen Raum wahrzunehmen, zuckten in hektischen Mustern, dem Wahnsinn sehr nahe. Sie waren über jeden rationalen Gedanken hinaus. Nichts würde sie aufhalten, kein Vernunftargument, kein Hunger, keine körperlichen Wunden, denn wenn einer von ihnen fiel, würden zehn andere seinen Platz einnehmen. Sie würden nicht aufhören, bis sie sogar den Turm selbst niedergerissen hatten - nicht, solange sie noch lebten und atmeten.
Einen Augenblick traten die Männer zurück von der Spottfigur eines Bewahrers, die sie hergestellt hatten. Eduin berührte seinen Sternenstein, um sich zu konzentrieren, und benutzte sein Laran , um das Stroh zu entzünden. Es war so trocken, dass es sofort in Flammen aufging. Die Menge schrie in einem Augenblick des Entsetzens auf. Dann erklang Jubel und steigerte sich zu einem wortlosen, hirnlosen Brüllen.
Ein paar der stärkeren Männer packten den Stab, hoben ihn hoch und trugen ihn weiter. Auf Saravios geistiges Drängen hin begannen sie zu rufen: »Hali! Nieder mit Hali!«
Innerhalb von Augenblicken hatte die Menge sich auf den Weg gemacht und rannte Hals über Kopf die Straße entlang, die zum Turm führte. Um dorthin zu gelangen, würden sie am See vorbeikommen, wo, wenn die letzten Berichte der Wahrheit entsprachen, Varzil wartete.
Der Kreis fühlte sich für Dyannis vollkommen vertraut an, obwohl sie draußen standen, statt in einer abgeschirmten Matrix-Kammer zu sitzen. Sie atmete die taufeuchte Luft ein, roch die Gräser und die niedrig wachsenden Himmelsblüten, die sich zäh an die Dünen klammerten. Der Morgen umgab sie beinahe liebevoll, und sie bemerkte, dass das gelegentliche Vogelgezwitscher sie nicht ablenkte, sondern ihre Geistesgegenwart nur vergrößerte.
Dyannis schloss die Augen, um sich besser konzentrieren zu können. Ebenso wie die anderen trug sie ihren Sternenstein ungeschützt an der nackten Haut. Raimon gab das Zeichen zu beginnen. Mit seiner kühlen, leichten geistigen Berührung verwob er sie miteinander. Dyannis dämpfte ihre Aufregung und verband sich mit den Menschen, mit denen sie schon so lange und vertraulich zusammengearbeitet hatte, und sank in die Verbindung. Ihr Atem wurde tiefer. Die körperliche Welt zog sich zurück, sodass Dyannis nicht mehr wusste, ob sie stand oder saß, ob es Tag oder Nacht war, Winter oder Sommer, ob sie sich draußen befand oder eingeschlossen in ihrem Turm.
Als Varzil und Alderic sich vom Kreis entfernten, bewirkte das nur ein geringfügiges Schwanken in der Einheit. Raimon hatte sie auf solche Weise miteinander verbunden, dass die körperliche Trennung vielleicht die Färbung des Verbundenseins veränderte, aber nicht die Verbindung selbst. Dyannis stand am Seeufer, mit den anderen zu einem Kreis vereint, und gleichzeitig reiste sie mit ihrem Bruder und ihrem Freund durch die Schichten des Wolkenwassers.
Sie hatte das Gefühl zu schweben, als hielte das Universum den Atem an. Die einzige Realität waren Rhythmus und Struktur des geistigen Pulsschlags des Kreises.
Durch die Linse der Gedanken ihres Bewahrers spürte sie, wie die beiden drunten vorankamen. Macht schimmerte durch das Netz, das sie miteinander verband. So intensiv war ihre Konzentration, dass sie alles Zeitgefühl verlor.
Varzil erreichte die Säulen und durch sie den Energieriss. Dyannis spürte ihn als Spalte, als Öffnung in der Haut der Welt. Das Wasser in seiner seltsam veränderten Form kam ihr wie Tränen vor, als weinte Darkover selbst über das, was hier getan worden war.
Wir sind hier, um diese Wunde zu heilen .
Dyannis war von Hoffnung erfüllt. Sie sprach ein lautloses Gebet darum, dass diese Heilung möglich sein würde, dass sie die Kraft
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