Darkover 10 - Die zerbrochene Kette
darüber müssen die Gildenmütter treffen«, gab Jaelle zu. »Aber die Gilden-Charta schließt keine Frau aus. Nach der Charta macht der Eid die Amazone, nicht die Abstammung. Und meine Schwester hat ihren Eid gehalten; sie ist geblieben und hat für mich gekämpft, und später hat sie für mich gesorgt, während sie mich doch leicht hätte zum Sterben liegenlassen können.«
Rohana sagte freundlich: »Dann ist sie hier ebenfalls Verwandte, mein Liebling.« Erleichtert fiel Jaelle wieder in tiefen Schlaf - oder Bewußtlosigkeit -, und über ihren Kopf weg begegnete Rohanas Blick dem der Terranerin. »Eines Tages mußt du mir berichten, wie es dazu gekommen ist.«
»Ich bin mir selbst nicht sicher«, meinte Magda mit bekümmertem Lächeln, »aber was auch kommen mag, ich werde meinen Eid halten.«
»Jaelles wegen? Nur aus Freundschaft?«
»Nein. Nicht ganz. Vielleicht…« Magda zögerte, suchte nach Worten. »Vielleicht, weil ich zwei Welten dienen muß, und ich glaube, ich kann beiden Verpflichtungen auf diese Weise am besten gerecht werden.«
»Und dein Mann? Was wird er dazu sagen?«
»Er ist dem Gesetz nach nicht mein Mann; wir haben uns vor mehr als einem Jahr getrennt. Und auf keinen Fall ist er der Bewahrer meines Gewissens.«
»Ich dachte…« Rohana brach ab. Wie alle Telepathen scheute sie sich, den Eindruck zu erwecken, daß sie in Privatangelegenheiten schnüffelte. Aber als sie Magda in der Handelsstadt kennenlernte, hatte sie den Eindruck gewonnen, die Terranerin hänge immer noch sehr an ihrem früheren Liebhaber, und als sie Magda in Amazonentracht sah, hatten sie böse Ahnungen beschlichen. Trotz des Mutes und der Kraft, die sie bewunderte, schien ihr Magda zu feminin für die Rolle zu sein, die sie spielen mußte. Sie hatte in Magda viel Ähnlichkeit mit sich selbst entdeckt: Aus echt weiblichen Gründen übernahm sie die Aufgabe eines Mannes.
Nun wußte sie nicht mehr, was sie denken sollte, und das war eine ganz neue Erfahrung für Rohana. Auch weckte es Fragen wieder auf, von denen sie geglaubt hatte, sie seien schon vor Jahren ein für allemal gelöst worden. Nur zu gern unterbrach sie die Selbsterforschung, als Magda fragte: »Ist es normal, daß Jaelle soviel schläft? Steht es schlimmer um sie, als ich fürchtete?«
»Ich weiß es nicht; Alida sagte, keine der beiden Wunden heile, wie sie sollte. Morgen wird sie uns Genaueres mitteilen können.«
»Es ist meine Schuld.« Angstvoll blickte Magda auf Jaelle nieder. Schlief sie, oder war sie wieder bewußtlos? »Sie hat sich verausgabt, um uns zu helfen.«
Rohanas Hände schlossen sich ganz leicht über ihren. Magda mit ihren geringen Kenntnissen über die Telepathen-Kaste wußte nicht, wie selten eine solche Geste war und welches Vertrauen sie bewies. »Mein liebes Kind, mach dir keine Vorwürfe. Seit Kindras Tod hat es niemanden, wirklich niemanden mehr gegeben, der Jaelle zu etwas veranlassen konnte, das sie nicht wollte, oder sie daran hindern konnte, ihrem eigenen Willen zu folgen. Deshalb hat sie, was sie auch getan hat, aus freien Stücken getan.« Mit gedankenverlorener, trauriger Zärtlichkeit sah sie Jaelle an. Sie sagte, und Magda spürte, daß Rohana im Grunde nicht zu ihr sprach: »In vieler Beziehung ist sie mir teurer als meine eigene Tochter. Aber ich weiß seit langer Zeit, daß ich sie ihren eigenen Weg gehen lassen muß.«
Sie wandte sich zur Tür. »Domna Alida wird sie sich heute vormittag ansehen. Sie ist im Turm ausgebildet und hat großes Geschick in diesen Dingen.« Damit ging sie.
Kurz danach trat Peter durch die Verbindungstür ein. »Wie geht es Jaelle?« fragte er mit leiser, besorgter Stimme.
Magda wiederholte, was Rohana gesagt hatte, und er schüttelte bestürzt den Kopf. »Mich quält der Gedanke, daß sie sich für uns in solche Gefahr begeben hat«, sagte er. »Aber hör mir zu, Magda, wir müssen so bald wie möglich von hier verschwinden. Du weißt, daß wir nicht über Mittwinter bleiben können, wie Lady Rohana erwartet, denn es könnten Leute hiersein, die uns erkennen.«
»Rohana würde es niemandem sagen.«
»Das mag sein. Aber zum Haushalt gehören zwei oder drei Männer aus Caer Donn, die mich vielleicht wiedererkennen… sich an mich aus der Zeit erinnern, als Terraner und Bergbewohner noch ungezwungen miteinander verkehren durften. Wenn das geschieht…«
Magda verstand seine Bedenken, doch im Augenblick war ihr
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