Darkover 11 - Das Zauberschwert
habe das Gefühl, sie ist dort.« Leonie hob einen schattenhaften Arm und zeigte. Damon drehte sich in die angedeutete Richtung und sah nur eine dichte, klumpige Dunkelheit.
»Die Dunkelheit ist neu auf dieser Ebene«, berichtete Leonie, »und keiner von uns hat es bisher geschafft, ihr nahe zu kommen. Wenn wir uns in diese Richtung bewegen, werden wir mit Gewalt zurückgeschleudert. Ich weiß nicht, welche neuen Personen auf dieser Ebene wandern, aber sie sind nicht mit unserer Erlaubnis hergekommen.«
»Und du meinst, Callista könne sich dorthin verirrt haben und werde jetzt festgehalten, unfähig, die Schatten mit ihrem Geist zu durchdringen?«
»Ich fürchte es«, antwortete Leonie. »Hätte man sie betäubt oder hypnotisiert oder ihr ihren Sternenstein weggenommen, oder wäre sie so mißhandelt worden, daß sie den Verstand verloren hat, dann würde es für uns auf dieser Ebene so aussehen, als sei sie in einer großen, undurchdringlichen Dunkelheit gefangen.«
Damon berichtete Leonie mit der Schnelligkeit des Gedankens, wie Callista aus ihrem Bett in Armida weggeholt worden war.
»Das gefällt mir nicht«, erklärte Leonie. »Was du mir erzählst, macht mir Angst. Ich habe gehört, die Hasturs hätten fremden Männern von einer anderen Welt die Genehmigung gegeben, sich in Thendara anzusiedeln. Hin und wieder gerät einer im Traum in die Überwelt, aber Gestalt und Geist sind merkwürdig bei ihnen, und meistens verschwinden sie, sobald man sie anspricht. Sie sind hier nur Schatten, und sie scheinen ganz harmlos zu sein, Menschen wie andere auch, ohne viel Geschick, sich in den Reichen des Geistes zu bewegen. Mir fällt es schwer zu glauben, daß diese Terraner - so nennen sie sich - irgendwie an dem, was Callista zugestoßen ist, beteiligt sein sollen. Welchen Grund könnten sie haben? Und da sie auf unserer Welt nur geduldet sind, warum sollten sie uns durch ein solches Verhalten provozieren? Nein, es muß ein zweckmäßiges Handeln dahinter stecken.«
Damon kam zu Bewußtsein, daß er vor Kälte zitterte. Die Ebene schien unter seinen Füßen zu beben. Wenn er in der Überwelt bleiben wollte, mußte er weiterziehen. Es war ihm ein Trost gewesen, mit Leonie zu sprechen, aber er durfte hier nicht länger verweilen; er mußte seine Suche nach Callista fortsetzen. Leonie folgte seinen Gedanken und sagte: »Dann suche sie. Nimm meinen Segen.« Noch während sie die Hand in der rituellen Geste hob, verblaßte ihre Gestalt, und Damon entdeckte, daß er um eine weite Strecke zurückversetzt worden war. Er stand nicht mehr in dem vertrauten Hof des Turms, sondern war der Dunkelheit ein großes Stück über die graue Ebene nähergerückt.
Die Kälte wuchs, und er erschauerte unter den Stößen, die wie eisige Winde aus der Schwärze kamen. Das verdunkelte Land, dachte er grimmig. Zum Schutz gegen die Kälte stellte er sich vor, daß er einen dicken Mantel in Grün und Gold trage. Ihm wurde wärmer, aber nur wenig und seine Bewegung auf die finstere Wolke zu wurde immer langsamer, als entströme ihr eine Kraft, die ihn zurückdrücke und immer weiter zurück. Er kämpfte dagegen an, rief von neuem Callistas Namen. Wenn sie irgendwo hier draußen auf der Ebene ist, wird sie mich hören , dachte er. Doch wenn Leonie vergeblich gesucht hatte, wie konnte er hoffen, Erfolg zu haben?
Die Dunkelheit wogte wie eine dicke, kochende Masse und bevölkerte sich plötzlich mit finsteren, verkrümmten Gestalten, undeutlichen bösen Gesichtern, drohenden Gesten, vollführt von körperlosen Gliedern, die einen Augenblick sichtbar waren und wieder verschwanden. Damon wurde von Furcht gepackt, einem qualvollen Verlangen nach der festen Welt und seinem festen Körper und der Feuerstelle in Armida… Die Welt schien voll zu sein von halb gehörten Warnrufen: Kehre um! Kehre um, oder du wirst sterben!
Er mühte sich unter Schmerzen vorwärts, erzwang sich den Weg gegen den heftigen Druck. Callistas Schmetterlingsspange zwischen seinen Händen leuchtete und flatterte und vibrierte, ein Zeichen, daß er ihr näher kam, näher…
»Callista! Callista!«
Für einen Augenblick verdünnte sich die dicke schwarze Wolke, und ganz flüchtig sah er sie, einen Schatten, einen Nebelschwaden, in einem zerrissenen Nachtgewand, das Haar aufgelöst und verwirrt, das Gesicht verzerrt von Schmerz oder Tränen. Sie streckte flehend die Hände nach ihm aus, und ihr Mund bewegte sich, aber er hörte
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