Darkover 12 - Der verbotene Turm
es nicht völlig verstand.
»Ich hätte ihre Kanäle sofort reinigen sollen«, erklärte Damon in hoffnungslosem Zorn. Wie konnte er es Andrew begreiflich machen? Er suchte mühsam nach Worten.
»Sie braucht eine Art... eine Art Entladung der angesammelten Energie. Aber die Kanäle sind blockiert, und die Energie staut sich in ihrem ganzen übrigen System. Allmählich greift sie alle lebens wichtigen Funktionen an: ihr Herz, ihren Blutkreislauf, ihre Atmung. Und bevor ich es wagen kann... «
Ellemir rang entsetzt nach Atem. Callistas Körper verkrampfte sich, wurde steif und krümmte sich unter einem unheimlichen Aufschrei rückwärts. Mehrere Sekunden lang erschütterte heftiges Zittern alle ihre Glieder. Dann brach sie zusammen und lag wie leblos da.
»Gott!«, ächzte Andrew. »Was war das?«
»Eine Konvulsion«, stellte Damon kurz fest. »Das habe ich befürchtet. Es bedeutet, dass wir wirklich keine Zeit mehr haben.« Er beugte sich nieder, um ihren Puls zu prüfen und auf ihren Atem zu lauschen.
»Ich wusste, ich hätte ihre Kanäle reinigen sollen!«
»Und warum hast du es nicht getan?«, fragte Andrew.
»Das habe ich dir gesagt: Ich habe keinen Kirian für sie, und ohne ihn weiß ich nicht, ob sie den Schmerz aushält.«
»Tu es jetzt, solange sie bewusstlos ist«, forderte Andrew. Damon schüttelte den Kopf.
»Sie muss bei vollem Bewusstsein mitarbeiten, oder ich könnte ihr ernsten Schaden zufügen. Und... und sie will nicht, dass ich es tue«, setzte er zögernd hinzu.
»Warum nicht?«
Endlich gestand Damon es widerwillig ein. »Wenn ich ihre Kanäle säubere, bedeutet das, dass sie zu ihrem Normalzustand zurückkehrt. Und das ist der Zustand einer Bewahrerin, deren Kanäle völlig frei sind von normalen weiblichen Empfindungen – reserviert allein für Psi-Kräfte. Sie wird wieder da sein, wo sie war, bevor sie den Turm verließ. Sich deiner überhaupt nicht mehr bewusst, nicht mehr im Stande, sexuell zu reagieren. Das heißt: Zurück auf Feld eins.«
Andrew holte schwer Atem. »Was ist die Alternative?« »Ich fürchte, es gibt jetzt keine Alternative mehr«, stellte Damon nüchtern fest. »So kann sie nicht mehr lange leben.« Er berührte kurz die kalte Hand. Dann ging er in seine eigenen Räume, wo er einen Vorrat an Kräutermedizinen und Heilmitteln aufbewahrte. Eine Weile überlegte er. Schließlich entschied er sich für eine kleine Phiole. Er kehrte zurück, öffnete den Verschluss, hob Callistas Kopf an und goss ihr den Inhalt zwischen die schlaffen Lippen.
»Was ist das? Was gibst du ihr ein, verdammt noch mal?« »Es wird eine zweite Konvulsion verhindern«, sagte Damon, »zumindest für diese Nacht. Und morgen... «Aber er brachte es nicht über sich, den Satz zu beenden. Selbst als er diese Arbeit im Turm regelmäßig getan hatte, war sie ihm unangenehm gewesen. Ihm grauste vor den Schmerzen, die er hervorrufen würde, und auch vor der Notwendigkeit, Callista klarzumachen, dass sie den kleinen Fortschritt auf dem Weg zur reifen Frau opfern musste. Sie würde wieder werden, was Leonie aus ihr gemacht hatte, ein körperlich unreifes Mädchen, ein Neutrum. Damon entfernte sich von Callistas Bett. Er spülte die Phiole aus und stellte sie weg, und dabei versuchte er, sich zu beruhigen. Er ließ sich auf dem anderen Bett nieder und blickte verzweifelt zu Callista hinüber. Ellemir setzte sich neben ihn. Andrew kniete immer noch bei Callista, und Damon dachte, er sollte ihn wegschicken, weil sich Callista seiner Anwesenheit selbst im Schlaf bewusst war. Ihre Kanäle reagierten auf ihn, auch wenn es ihr Geist nicht tat. Einen Augenblick lang sah er Andrew und Callista als eine Anzahl wirbelnder, sich überlappender magnetischer Felder, die sich suchten und fassten, als sich verflechtende Polaritäten. Aber statt sich gegenseitig zu stärken und zu festigen, stauten sich die Energien in Callistas Körper. Da sie nicht frei fließen konnten, nahmen sie ihr alle Kraft. Und was tat das Andrew an? Ihm nahm es ebenfalls die Kraft. Gewaltsam riss sich Damon von dieser Vision los und zwang sich, Callista nur als schwer kranke Frau zu sehen, die nach einer Konvulsion zusammengebrochen war, und Andrew als einen besorgten Mann, der sich in Angst und Verzweiflung über sie beugte.
Aus diesem Grund hatte Leonie ihn aus dem Turm fortgeschickt. Er sei zu empfindsam, hatte sie gesagt, die Arbeit werde ihn zerstören. Zum ersten Mal in seinem Leben rebellierte Andrew gegen dieses Urteil. Seine
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