Darkover 12 - Der verbotene Turm
beherrschen? Ich habe ja nicht angedeutet, du könntest davonlaufen und die erste Frau, die dir begegnet, vergewaltigen. Aber das bedeutet doch nicht, dass die Not nicht vorhanden ist. Deshalb läuft es darauf hinaus, dass du uns belügst – mit allem, was du tust, mit allem, was du bist.«
»Allmächtiger Gott?«, explodierte er. »Gibt es hier überhaupt kein Privatleben?«
»Selbstverständlich. Hast du das nicht bemerkt? Mein Vater hat nicht eine einzige Frage gestellt, die einen von uns in Verlegenheit setzen könnte. Es geht ihn nämlich wirklich nichts an, verstehst du. Er würde niemals nachforschen. Niemand von uns wird jemals erfahren, ob er etwas von der Sache weiß. Aber unter uns vieren –da ist es doch anders, Andrew. Kannst du nicht wenigstens ehrlich mit uns sein?«
»Was erwartet ihr denn von mir? Soll ich Callista wegen etwas bedrängen, das sie mir nicht geben kann?« Er dachte an die Nacht, in der er genau das getan hatte. »Ich kann es nicht wieder tun!«
»Natürlich nicht. Aber siehst du nicht ein, dass es mit zu Callistas Leiden beiträgt? Sie war sich deiner Not mit äußerster Schärfe bewusst, so dass sie schließlich das Wagnis einging. Und dann kam es zur Katastrophe, nur weil sie deine Not kannte und wusste, du würdest keine andere Lösung akzeptieren. Willst du so weitermachen, dass du ihre Schuldgefühle verstärkst... und unsere auch?«
Sorge, Erschöpfung, Mangel an Schlaf und jetzt das starke Getränk auf den leeren Magen hatten Andrews Wahrnehmungsfähigkeit so herabgesetzt, dass ihm war, die unerhörten Dinge, die Ellemir sagte, ergäben fast Sinn. Hätte er getan, was Callista verlangte, wäre es nie so weit wie jetzt gekommen...
Es war ungerecht. Callista so ähnlich und so furchtbar unähnlich... so sprühend vor Leben! »Ich bin Damons Freund. Wie könnte ich ihm das antun?«
»Damon ist dein Freund«, gab sie zurück, jetzt wirklich zornig geworden. »Glaubst du, es tut ihm gut, dass du leidest? Oder bist du so arrogant, dass du dir einbildest... « – ihre Stimme bebte –»du könntest mich dazu bringen, Damon weniger zu lieben, weil ich für dich tue, was jede anständige Frau täte, wenn sie einen Freund in einem derartigen Zustand sieht?«
Andrew begegnete ihrem Blick und setzte seinen Zorn gegen ihren. »Da wir gerade vor Ehrlichkeit überquellen: Ist dir schon einmal der Gedanke gekommen, dass nicht du es bist, die ich will?« Selbst jetzt erregte sie ihn nur, weil sie da war und aussah, wie Callista hätte aussehen sollen.
Ihr Zorn war plötzlich verschwunden. »Lieber Bruder... « – Bre du war das Wort, das sie gebrauchte – »... ich weiß, es ist Callista, die du liebst. Aber in deinem Traum war ich es.«
»Ein körperlicher Reflex«, stellte er brutal fest.
»Nun, auch der ist real. Und es würde zumindest bedeuten, dass du Callista wegen etwas, das sie dir nicht geben kann, nicht länger zu quälen brauchst.« Sie streckte die Hand nach seinem Glas aus, um es von neuem zu füllen. Er wehrte ab.
»Nichts mehr. Ich bin bereits halb betrunken. Verdammt, kommt es darauf an, ob ich sie auf diese Weise quäle oder indem ich davonlaufe und mit irgendeiner anderen ins Bett springe?«
»Das verstehe ich nicht.« Andrew spürte, dass Ellemirs Verwirrung echt war. »Meinst du damit, dass eine Frau deines Volkes, wenn sie aus irgendeinem Grund das Bett ihres Mannes nicht teilen kann, sich darüber entrüsten würde, falls er irgendwo anders... Trost suchte? Wie merkwürdig und wie grausam!«
»Ich nehme an, die meisten Frauen sind der Meinung, wenn sie... wenn sie aus irgendeinem Grund enthaltsam zu sein haben, müsse der Mann es gerechterweise auch sein.« Er suchte nach Worten. »Sieh mal, wenn Callista ebenfalls unglücklich ist, und ich schliefe mit einer anderen – wäre es nicht sehr hässlich von mir, mich so zu verhalten, als käme es auf ihr Unglück gar nicht an, solange nur meine eigenen Bedürfnisse befriedigt werden?«
Ellemir legte sachte eine Hand auf seinen Arm. »Das spricht für dich, Andrew. Aber ich kann mir nur mit Mühe vorstellen, dass eine Frau, die ihren Mann liebt, sich nicht freuen würde, seine Begierde gestillt zu sehen.«
»Hätte sie darin nicht das Gefühl, ich liebte sie nicht genug, um auf sie zu warten?«
»Glaubst du, du würdest Callista weniger lieben, wenn du bei mir gelegen hättest?«
Er hielt ihrem Blick stand. »Nichts in der Welt könnte mich dazu bringen, Callista weniger zu lieben. Nichts.«
Ellemir
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