Darkover 12 - Der verbotene Turm
schlanke, hellhaarige Frau von unbestimmbarem Alter, doch Damon meinte, sie sei ein wenig älter als er selbst. Sie hatte die kalte Reserviertheit, die beinahe priesterliche Würde aller Bewahrerinnen. »Mutter Ashara kann dich nicht empfangen; ihr Geist weilt in diesen Tagen häufig außerhalb der Zeit. Was kann ich für dich tun, Damon?«
Damon zögerte. Es widerstrebte ihm, die Angelegenheit zu erklären und Dezi ohne Beweis mit seinem Verdacht zu belasten. Margwenn hatte der Ratssitzung nicht beigewohnt, obwohl ihr das Recht zustand. Viele Techniker interessierten sich nicht für Politik. Damon hatte früher auch die Einstellung gehabt, seine Arbeit stehe über derartigen weltlichen Geschäften. Jetzt war er sich nicht mehr so sicher.
Schließlich sagte er: »Es bestehen einige Unklarheiten über gewisse Matrices im Besitz des Alton-Clans. Sie wurden legitim in Besitz genommen, aber ihr Schicksal ist ungewiss. Kennst du Dezi Leynier, der vor einiger Zeit ein knappes Jahr in Arilinn war?«
»Dezi?«, fragte sie ohne Interesse. »War er nicht irgendein Bastard von Lord Alton? Ja, ich erinnere mich. Er wurde entlassen, weil er keine Disziplin halten konnte, wie ich hörte.« Sie trat an den Überwachungsschirm und stand bewegungslos vor der glasigen Oberfläche. Nach kurzer Zeit begannen tief im Inneren Lichter zu blinken, und Damon, der Margwenns Gesicht beobachtete, ohne ihren Gedanken zu folgen, erkannte, dass sie sich in das Relais nach Arilinn eingeschaltet hatte. Dann sagte sie: »Offenbar hat er seine Matrix aufgegeben. Sie befindet sich im Besitz einer Bewahrerin, nicht inaktiviert, aber auf einem sehr niedrigen Niveau.«
Im Besitz einer Bewahrerin!
Damon, der das Energieniveau der Matrix selbst gesenkt und sie in einem verschlossenen und versiegelten Kasten verwahrt hatte, verstand das sehr genau.
Besitz einer Bewahrerin. Aber jeder fähige Techniker konnte die Arbeit einer Bewahrerin tun. Warum musste sie mit Tabus, Ritualen, abergläubischer Verehrung umgeben werden? Er verbarg seine Gedanken vor Margwenn und bat: »Würdest du jetzt überprüfen, was aus der Matrix von Domenic Lanart geworden ist?«
»Ich will es versuchen«, antwortete Margwenn, »aber ich dachte, er sei tot. Wahrscheinlich ist seine Matrix mit ihm gestorben.«
»Das hätte ich auch gedacht«, sagte Damon, »aber sie wurde nicht an seiner Leiche gefunden. Ist es möglich, dass auch sie im Besitz einer Bewahrerin ist?«
Margwenn zuckte die Schultern. »Das kommt mir unwahrscheinlich vor. Doch da ich weiß, dass Domenic sein Laran so gut wie nie anwandte, wäre es immerhin möglich, dass sie die Matrix zurückverlangt und für den Gebrauch eines anderen modifiziert hat – oder für ihren eigenen. Allerdings ziehen es die meisten Bewahrerinnen vor, mit einem leeren Kristall zu beginnen. Wo ist Domenic getestet worden? Sicher nicht in Arilinn.«
»Ich glaube, in Neskaya.«
Margwenn hob die Augenbrauen, als sie sich von neuem dem Schirm zuwandte. Man brauchte keine Telepathie, um ihren Gedanken zu erkennen: In Neskaya sind sie zu allem fähig. Endlich drehte Margwenn sich um und sagte: »Du hast richtig vermutet; sie ist im Besitz einer Bewahrerin, jedoch nicht in Neskaya. Sie muss modifiziert und einem anderen übergeben worden sein. Sie ist nicht mit Domenic gestorben, sondern in voller Funktion.«
Das war es, dachte Damon, und das Herz war ihm schwer. Ein kleines Ding für den positiven Beweis eines teuflischen Mordes.
Kein vorher geplanter Mord. Den kleinen Trost gab es. Niemand hatte vorhersehen können, dass Cathals Holzschwert Domenic bewusstlos schlagen würde. Aber eine plötzliche Versuchung... und Domenics Matrix überlebte ihn, um unfehlbar auf den einen Menschen zu zeigen, der sie ihm abgenommen haben konnte, ohne selbst dabei getötet zu werden.
Ihr Götter da oben, welch eine Verschwendung! Hätte Dom Esteban seinen Stolz überwunden und sich zu den einigermaßen peinlichen Umständen von Dezis Zeugung bekannt, wäre er bereit gewesen, diesen hoch begabten Jungen anzuerkennen, dann hätte es mit Dezi nicht dieses Ende genommen.
Damon als Empath konnte sich nur zu gut vorstellen, dass die Versuchung plötzlich und unwiderstehlich gewesen war. Für einen ausgebildeten Telepathen war ein Leben ohne Matrix, als sei er taub, blind und verstümmelt, und der Anblick des bewusstlosen Domenic hatte Dezi zum Mord getrieben. Zum Mord an dem einen Familienmitglied, das für sein Recht eingetreten war, Bruder genannt zu
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