Darkover 12 - Der verbotene Turm
hüllte ihn in ein langes Gewand. Die Schlafzimmertür wurde mit aller Feierlichkeit geöffnet. Andrew konnte Ellemir sehen. Sie war in spinnenfeine Seide gekleidet, ihr kupferfarbenes Haar war gelöst und flutete über ihre Brüste. Ihr Gesicht war rot, und sie kicherte unbeherrscht, aber Andrew spürte, dass sie am Rand eines hysterischen Schluchzens stand. Es war genug, dachte er. Es war zu viel. Alle sollten gehen und sie allein lassen.
»Damon«, erklärte Domenic feierlich, »ich habe ein Geschenk für dich.«
Erleichtert stellte Andrew fest, dass Damon gerade genug betrunken war, um alles gutmütig hinzunehmen. »Das ist freundlich von dir, Schwager. Was ist es für ein Geschenk?«
»Ich habe dir einen Kalender gemacht, in dem die Tage und die Monde eingetragen sind. Wenn du heute Nacht deine Pflicht tust, siehst du wohl, dann habe ich in Rot das Datum eingetragen, an dem dein erster Sohn geboren werden wird!«
Damon war rot vor ersticktem Gelächter. Andrew dachte, dass er Domenic den Kalender wahrscheinlich an den Kopf geworfen hätte, aber Damon nahm ihn entgegen und ließ sich mit allen Zeremonien zu Ellemir ins Bett helfen. Domenic sagte etwas zu Ellemir, woraufhin sie ihr Gesicht unter der Decke verbarg.
Dann führte Domenic die Zuschauer mit übertriebener Feierlichkeit zur Tür.
»Und jetzt, auf dass wir die Nacht in friedlichem Trinken verbringen können, ungestört durch alles, was jenseits dieser Türen vorgehen mag, habe ich noch ein weiteres Geschenk für das glückliche Paar. Ich werde einen telepathischen Dämpfer gleich innerhalb eurer Türen anbringen... «
Damon setzte sich im Bett hoch und warf, schließlich doch die Geduld verlierend, ein Kissen nach ihm. »Genug ist genug!«, rief er. »Zum Teufel, macht, dass ihr hinauskommt, und lasst uns in Frieden!
Als wäre es das, worauf sie gewartet hatten – vielleicht war es das auch –, zog sich die ganze Schar von Männern und Frauen schnell zu den Türen zurück. »Wirklich, Damon... « – Domenic legte sein Gesicht in vorwurfsvolle Falten – »... kannst du deine Ungeduld nicht noch ein bisschen länger beherrschen? Meine arme kleine Schwester, gnadenlos dieser unschicklichen Hast ausgeliefert!« Aber er schloss die Tür, und Andrew hörte, wie Damon sie von innen verriegelte. Endlich war den als Brauchtum geltenden Witzen ein Ende gemacht, und Damon und Ellemir waren allein.
Aber jetzt kam er an die Reihe. Es war, dachte er finster, nur etwas Gutes an dieser Sache. Bis die betrunkenen Männer mit ihrer Alberei fertig waren, würde er für alles außer dem Schlafen zu verdammt wütend sein.
Sie stießen ihn in das Zimmer, wo Callista wartete, umringt von den jungen Mädchen, Freundinnen Ellemirs, ihren eigenen Dienerinnen, jungen Edelfrauen aus der Nachbarschaft. Sie hatten ihr ihr feierliches karminrotes Gewand ausgezogen und sie in ein dünnes Hemd wie das Ellemirs gesteckt, ihr das Haar gelöst und es ihr über die bloßen Schultern gelegt. Sie blickte schnell zu ihm auf, und Andrew kam es einen Moment so vor, als wirke sie irgendwie viel jünger als Ellemir: jung, verloren und verwundbar.
Er spürte, dass sie mit den Tränen kämpfte. Schüchternheit und Widerstreben waren Teil des Spiels, aber wenn sie im Ernst zusammenbrach und weinte, dann würde man ihr übel nehmen, dass sie den Spaß verdorben hatte. Man würde sie für ihre Unfähigkeit, an dem Spiel teilzunehmen, verachten.
Kinder konnten grausam sein, sagte Andrew zu sich selbst, und so viele dieser Mädchen waren noch Kinder. So jung sie aussah, war Callista eine Frau. Sie war vielleicht nie ein Kind gewesen; der Turm hatte ihr ihre Kindheit gestohlen... Er wappnete sich gegen das, was kommen würde, und er wusste, sosehr es ihm gegen den Strich gehen mochte, für Callista war es schlimmer.
Ob ich die Meute aus dem Zimmer bekommen kann, bevor sie anfängt zu weinen und sich dafür hasst?, fragte er sich. Warum muss sie diesen Unsinn über sich ergehen lassen?
Domenic fasste ihn derb an den Schultern und drehte ihn um, weg von Callista.
»Paß auf!«, ermahnte er ihn. »Wir sind noch nicht fertig mit dir, und die Frauen haben Callista noch nicht ganz für dich vorbereitet. Kannst du nicht noch ein paar Minuten warten?« Und Andrew ließ Domenic seinen Willen, fest entschlossen, den Witzen, die er nicht verstand, höfliche Aufmerksamkeit zu zollen. Aber er sehnte den Zeitpunkt herbei, zu dem er und Callista allein sein würden.
Oder würde das noch schlimmer
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