Darkover 18 - Hasturs Erbe
umkleiden konnte. Dann folgte er ihr hinab in eine verlassene Küche. Sie ging herum, packte getrocknetes Fleisch, Brot, Kekse und Trockenfrüchte zusammen. Sie steckte ihm ein kleines Kochgerät in die Satteltasche und sagte, Gabriel nähme es immer auf Jagdausflüge mit. Still beobachtete er sie. Er fühlte sich der wenig vertrauten Schwester näher als im Alter von sechs Jahren, als sie das Haus verließ, um zu heiraten. Er wünschte, er wäre noch so jung, um sich an ihre Röcke hängen zu können, wie er es damals getan hatte. Eiskalte Furcht ergriff ihn und dann der Gedanke: Bevor sich ein Comyn-Erbe einer Gefahr aussetzt, muß er einen Erben zeugen. Er hatte sich bisher geweigert, auch nur daran zu denken, wie sich auch Dyan geweigert hatte. Er wollte nicht einfach ein Glied in der Kette sein, der Sohn seines Vaters, der Vater seiner Söhne. Etwas in ihm rebellierte tief und stark bei dem Gedanken an das, was er tun mußte. Was sollte es? Wenn er nicht zurückkam, würde es keine Rolle spielen. Einer von Javannes Söhnen würde zu seinem Erben ernannt werden… Er konnte nichts tun, nichts sagen…
Er seufzte. Dazu war es zu spät. Er war zu weit gegangen. Er sagte: »Noch etwas, Schwester. Ich gehe fort und kehre vielleicht nie zurück. Du weißt, was das bedeutet. Du mußt mir einen deiner Söhne geben, Javanne - als meinen Erben.«
Ihr Gesicht erbleichte, und sie stieß einen leisen, erstickten Schrei aus. Er spürte den Schmerz, der darin lag, doch er wandte den Blick nicht ab. Schließlich sagte sie mit bebender Stimme: »Gibt es keine andere Möglichkeit?«
Er versuchte, es scherzhaft klingen zu lassen. »Ich habe keine Zeit, es auf normale Weise zu erledigen, Schwester, selbst wenn ich eine Frau fände, die mir so kurzfristig zur Verfügung stünde.«
Ihr Lachen klang fast hysterisch. Es brach mitten darin ab und hinterließ kaltes Schweigen. In ihren Augen sah er langsam die Einwilligung aufglimmen. Er hatte gewußt, daß sie zustimmen würde. Sie war eine Hastur, aus einer Familie, die älter als das Königshaus war. Sie hatte aus Pflicht unter ihrem Stand geheiratet und allmählich für ihren Mann tiefe Liebe entwickelt, doch die Pflicht zu den Hasturs stand für sie an erster Stelle. Mit einer Stimme, die so dünn wie ein Faden klang, meinte sie lediglich: »Was soll ich Gabriel sagen?«
»Meine liebe Javanne, Gabriel weiß seit dem Tag, als er dich zur Frau nahm, daß dies geschehen könnte«, antwortete Regis. »Ich hätte auch sterben können, bevor ich das Mannesalter erreichte.«
»Komm und suche ihn dir aus.« Sie führte ihn in das Zimmer, wo die drei Söhne nebeneinander in ihren Bettchen schliefen. Im Kerzenlicht studierte Regis ihre Gesichter eines nach dem anderen. Rafael, schlank und dunkel, mit kurzgeschnittenen Locken über dem Gesicht; Gabriel, kräftig und dunkelhäutig und bereits größer als sein Bruder. Michael, vierjährig, war noch koboldhaft klein und hübscher als die anderen. Helle Locken, fast silbrig weiß, umrahmten seine rosigen Wangen. Großvater muß als Kind so ausgesehen haben, dachte Regis. Er fühlte sich sonderbar kalt und vernunftbestimmt. Javanne hatte ihrem Clan drei Söhne und zwei Töchter geschenkt. Er würde vielleicht niemals einen Sohn haben. Er zitterte, als er an die Auswirkungen seines Tuns dachte, beugte den Kopf und versenkte sich in ein ungewohntes Gebet: »Cassilda, gesegnete Mutter der Domänen, hilf mir, daß ich eine kluge Wahl treffe… «
Ruhig ging er von Bett zu Bett. Rafael war ihm am ähnlichsten, dachte er. Dann, unter einem unwiderstehlichen Impuls, beugte er sich über Michael und hob die kleine schlafende Gestalt in seinen Arm.
»Das ist mein Sohn, Javanne.«
Sie nickte, doch ihre Augen blickten wild. »Und wenn du nicht zurückkehrst, wird er Hastur von Hastur sein. Aber wenn du zurückkommst, was wird er dann? Ein armer Verwandter am Fußschemel der Hasturs?«
Regis sagte ruhig: »Wenn ich zurückkomme, wird er Nedestro , Schwester. Ich kann dir nicht versprechen, niemals eine Frau zu nehmen, auch nicht als Gegenleistung für dieses große Geschenk. Aber dies will ich dir schwören: Er soll zweiter nach meinem ersten legitimen Sohn sein. Mein zweiter Sohn soll dritter nach ihm sein, und ich werde einen Eid schwören, kein Nedestro soll ihn von seinem Platz verdrängen. Befriedigt dich das, Breda? «
Michael öffnete die Augen und blickte schläfrig umher, doch er erkannte seine
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