Darkover 21 - Sharras Exil
sich hinter den Röcken einer Frau! Meinen sie, eine Heirat böte einen Ausweg?«
»Wenn ich es wagte… «, hauchte sie, und aus der gleichmütigen Stimme der geschulten Bewahrerin hörte ich die Tränen heraus, die nicht zu vergießen sie gelernt hatte. Aber sie seufzte und schob mich zögernd wieder weg. Sie sagte: »Auch wenn wir Beltran vergessen, wird er nicht fortgehen, weil wir nicht da sind. Er hat eine Armee vor den Toren Thendaras, ausgerüstet mit terranischen Waffen. Und außerdem… « Sie musste sich Mühe geben, es auszusprechen. »Können wir Sharra so leicht vergessen?«
Das Wort warf mich aus meinem Tagtraum vom Frieden. Zum ersten Mal seit Jahren war Sharra nicht einmal mehr ein böses Flüstern in meinem Geist gewesen. In Callinas Armen hatte ich Sharra tatsächlich vergessen. Callina mochte durch ihr Gelübde als Bewahrerin an den Turm gebunden sein, aber ich war auch nicht frei. Schweigend wandte ich mich von dem Anblick der Zwillingsstädte unter mir ab und ließ mich von ihr noch eine Treppenflucht hinunter und durch eine Reihe weiterer voneinander getrennter Höfe führen, bis ich mich im Labyrinth der Comyn-Burg überhaupt nicht mehr zurechtfand.
Wir beide, verloren gegangen in dem Irrgarten, den unsere Vorfahren für uns gebaut hatten…
Aber Callina schritt sicher hindurch. Sie brachte mich an eine Tür, hinter der Treppen nach oben und immer weiter nach oben führten, und schließlich durch eine verborgene Tür. Eng beieinander blieben wir stehen, und langsam begann der Schacht sich zu erheben.
Dieser Turm - so wird erzählt - wurde für die erste der Comyn-Bewahrerinnen gebaut, als Thendara noch nicht mehr als ein Dorf aus Zweighütten war, die sich im Lee des ersten aller Türme duckten. Er reichte weit, weit in unsere Vergangenheit zurück, bis zu der Zeit, als die Väter der Comyn sich mit Chieri paarten und seltsame, nichtmenschliche Kräfte in unsere Linie hineinbrachten. Götter schritten zwischen den Menschenkindern über das Angesicht der Welt, Hastur, der Sohn Aldones’, der der Sohn des Lichts ist… Ich ermahnte mich, nicht abergläubisch zu sein. Dieser Turm war in der Tat sehr alt, und einige der alten Maschinen aus dem Zeitalter des Chaos überlebten hier, und mehr war nicht daran. Aufzüge, die sich von selbst, ohne eine Antriebskraft, die ich hätte identifizieren können, bewegten, waren in der terranischen Zone allgemein üblich. Warum sollte der hier mir Angst einjagen? Der Geruch von Jahrhunderten hing zwischen den Mauern, in den Schatten, die zurückglitten, als schwebten wir mit jedem der einander folgenden Stockwerke weiter zurück, bis in das Zeitalter des Chaos und noch weiter… Endlich hielt die Kabine an, und wir standen vor einer kleinen Glasscheibe, die eine Tür war. Blaue Lichter schimmerten dahinter.
Ich sah keine Klinke und keinen Drehknopf, aber Callina streckte die Hand aus, und die Tür öffnete sich. Und wir traten in... Bläue.
Bläue wie das leuchtende Herz eines Edelsteins, wie die Tiefen eines durchsichtigen Sees, wie die noch größeren Tiefen des Mittagshimmels auf Terra. Bläue um uns, hinter uns, neben uns. Unheimliche Lichter sorgten für so viel Spiegelungen und Brechungen, dass der Raum keine Dimensionen zu haben schien. Er wirkte gleichzeitig unermesslich groß und beängstigend eng, und nirgends gab es einen festen Punkt. Mir schwindelte. Ich spürte unendliche Räume unter mir und über mir, die primitive Furcht des Fallens, aber Callina bewegte sich unbeirrt durch die Bläue.
»Bist du es, Tochter, und mein Sohn?«, fragte eine leise, klare Stimme, wie Winterwasser unter Eis. »Kommt her. Ich warte auf euch.«
Jetzt und erst jetzt konnte ich meine Augen in dem frostigen Tagesschein scharf genug fokussieren, um einen großen, verzierten Glasthron und darauf die blasse Gestalt einer Frau zu erkennen.
Ich hatte mir irgendwie vorgestellt, dass Ashara bei dieser offiziellen Audienz die karminrote Robe einer Bewahrerin tragen würde. Stattdessen war sie mit einem Gewand bekleidet, das das Licht absorbierte und widerspiegelte und sie auf diese Weise fast unsichtbar machte, eine aufrechte, winzige Gestalt, nicht größer als ein Kind von zwölf. Ihre Gesichtszüge waren fast fleischlos rein, ebenso faltenlos wie Callinas, als habe die Hand der Zeit die von ihr eingezeichneten Male selbst wieder ausgelöscht. Die Augen, lang und groß, waren ebenfalls farblos, obwohl sie bei normalerer
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