Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Darkover 23 - Asharas Rückkehr

Titel: Darkover 23 - Asharas Rückkehr Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marion Zimmer Bradley
Vom Netzwerk:
nicht, sich einzureden, dass nur ihre Phantasie am Werk war. Dafür war alles zu real. Ihre Zähne klapperten gegen den Rand der leeren Tasse, und sie zitterte am ganzen Leib.
Margaret widerstand dem Drang, von der festen Platte des langen Schneidetisches zu springen und zur Musikstraße zurückzulaufen. Nur die absolute Gewissheit, dass ihre Beine beim ersten Schritt nachgeben würden, ließ sie noch ein paar Minuten bleiben, wo sie war, und so langsam wie möglich atmen. Die Disziplin ihrer akademischen Ausbildung setzte sich durch, und langsam verging die Benommenheit, und ein wenig Kraft kehrte in ihre Glieder zurück.
»Bitte - ich muss sofort gehen!«
»Aber Sie sind krank, Domna.« Das war Manuella, deren Gesichtszüge vor Sorge ganz zerfurcht waren. Selbst in ihrem Gefühlsaufruhr bemerkte Margaret, dass die Sorge echt war, und sie war gerührt. Diese Leute waren Fremde, und doch benahmen sie sich, als läge Margaret ihnen am Herzen. Das berührte eine tiefe Sehnsucht in ihr, eine Wunde, von der sie bis zu diesem Augenblick gar nicht gewusst hatte, dass sie existierte.
Sie biss die Zähne zusammen und schob den Wunsch beiseite, sich einfach in die Freundlichkeit dieser Leute fallen zu lassen. Dann zog sie die Decke von den Beinen und nahm sich zusammen. »Das spielt keine Rolle. Ich muss sofort zum Haus von Meister Everard zurück!« Sie stellte ihre Füße auf den mit Stoffresten bedeckten Boden und torkelte wie ein Betrunkener. »Geremy, Ethan - bringt mich, so schnell ihr könnt, zurück!«
Beide Erwachsenen und die Kinder sahen einander hilflos an. Dann zuckte Aaron die Schultern, als wollte er sagen »Wie Sie meinen«. Margaret richtete sich auf und zog die verhasste Uniformjacke nach unten, die unter den Achseln nach oben gerutscht war. Sie zitterte am ganzen Leib. Es gab eigentlich keinen Grund zur Eile, und tief in ihrem Herzen wusste sie das. Es war bereits zu spät. Aber sie wünschte sich verzweifelt, dass sie Unrecht hätte. Sie hatte einen lebhaften Eindruck von ihrem Taumelflug ins Dunkel, die Erinnerung an eine Hand, die ihr Herz umklammerte. Doch sie wusste, nicht ihr Herz hatte einen Anfall erlitten, sondern Ivors. Sie wünschte, es wäre nur ein Traum, aber sie wusste mit Bestimmtheit, dass es so real war wie die Hände, die ihr nun Hilfe anboten.
Vor dem Laden war das Licht in der Straße rot. Die große, blutrote Sonne war tief über die niedrigen Dächer der Häuser gesunken und warf lange Schatten zwischen sie. Margaret stürmte die Straße entlang, ihre Füße wirbelten, ihre Absätze schlugen hart auf das grobe Pflaster. Sie legte mit ihren langen Beinen ein Tempo vor, dass die beiden Jungen neben ihr bald keuchten. Ihr Puls hämmerte wie die Todestrommeln auf Vega VI und pochte in ihren Schläfen, bis ihr beinahe übel war. Sie rutschte mit einem Fuß aus, stürzte und fiel auf Knie und Hände. Der Schmerz ließ sie laut aufschreien, und sie fluchte fließender, als sie für möglich gehalten hätte. Die Burschen halfen ihr auf, und Margaret blickte wie aus großer Entfernung auf den Schnitt in einer Handfläche. Sie spürte, wie ihr unter der Uniform etwas warm am Bein hinablief. Ihr feines Haar hatte sich teilweise aus der Schmetterlingsspange gelöst und flatterte ihr ins Gesicht. Sie steckte die Strähnen ungeduldig wieder zurück, wobei sie sich frisches Blut auf die Stirn schmierte, ohne es zu bemerken.
Wo waren sie? Die Straßen kamen ihr endlos vor, verschlungen und verwinkelt im rot glühenden Licht der untergehenden Sonne. Wie lange war sie bewusstlos gewesen? Warum hatte sie Ivor allein gelassen, wenn sie doch spürte, dass er nicht ganz in Ordnung war? Ihre Füße bewegten sich schnell und mechanisch. Sie richtete ihre ganze Energie darauf, ihren Bestimmungsort zu erreichen, und versuchte, nicht zu denken, sich nicht vorzustellen, was sie bereits wusste, wenn sie auch nicht sagen konnte, wieso.
Die Haustür ging auf, bevor sie den hölzernen Türklopfer packen konnte. Meister Everard selbst stand blass und entsetzt vor ihr, seine Haut war fast so bleich wie sein weißes Haar, und seine alten Zähne hoben sich gelb davon ab. Er hatte Tränen in den blauen Augen, als er ihr aufgelöstes Äußeres musterte.
»Ivor …« keuchte sie mit schmerzender Brust.
»Liebes Kind, ich habe schlechte Nachrichten für …«
»Er ist tot, nicht wahr?« Ihre Stimme klang ihr selbst barsch und grob in den Ohren, belegt und rau wie der Ruf einer Dohle.
Everard nickte und zog sie ins Haus.

Weitere Kostenlose Bücher