Darkover 23 - Asharas Rückkehr
das letzte Mal hier war, hatte sie immer noch eine schöne Stimme.«
»Weiß die alte Dame viel über die Terraner?«, fragte Margaret. »Genug, um nicht zu glauben, dass sie Hörner und einen Schwanz haben wie manche Dämonen«, erwiderte Rafaella friedfertig. »Abgesehen davon würde Sie niemand für eine Terranerin halten.« Margaret war erleichtert. Sie wollte nicht, dass man sie für einen Teufel hielt und dass ihre kostbare Ausrüstung als Seelen raubende Geräte angesehen wurden. Sie selbst war noch nie in einer solchen Situation gewesen, aber in der Musikfakultät kursierten Horrorgeschichten von Wissenschaftlern, die aus purer Unwissenheit getötet wurden. Ich bin hier zur Welt gekommen, dachte Margaret, und es ist ausgeschlossen, dass jemand Angst vor mir hat.
Sie hielten ihre Pferde vor einer gut in Stand gehaltenen Hütte an, und eine hochbetagte Frau kam heraus. Sie war gebeugt und zahnlos, aber ihre Augen leuchteten, und ihre Sprechstimme war klar und kräftig. Sie begrüßte Rafaella warmherzig, dann sah sie Margaret mit lebhafter Neugier an.
Rafaella stellte Margaret der alten Jerana vor, und die Frau machte einen steifen Knicks, als sie den Namen hörte. »Eine Alton! Na so was, eine Alton war seit vielen Jahren nicht mehr hier. Ihr habt das Aussehen von dem Alten, diesem Kennard, und seinem Vater vorher. Armer Mann. Ging weg und starb irgendwo auf einem anderen Planeten. Ich weiß nicht. Mein Geist wird trübe in letzter Zeit. Ich wurde in dem Jahr geboren, in dem die Terraner nach Aldaran kamen.«
Margaret wüsste, dass Darkover vor über hundert terranisehen Jahren wieder entdeckt worden war - so viel hatte die Geschichtsdiskette widerwillig enthüllt. Sie betrachtete Jera- na staunend, denn nur wenige Menschen in der Föderation wurden so alt, ohne lebensverlängernde Medikamente zu nehmen.
»Domna Alton möchte dich gern singen hören, Jerana, und eine Aufnahme von deinem Gesang machen.«
»Wirklich? Na so was, ich bin seit Jahrzehnten nicht mehr aufgetreten. Es ist dreißig Jahre her, seit ich in der Öffentlichkeit gesungen habe, aber es kommt mir vor wie gestern!« Sie schaute erfreut aus. »Kommt rein, Mädchen, kommt rein!« Sie rieb sich die knotigen Hände. »Alan! Alan, wo bist du, du Faulpelz! Mein Urenkel. Komm her und kümmere dich um diese schönen Pferde!« Sie führte die beiden Frauen in die Hütte und setzte sie neben die Feuerstelle, während sie in einem dampfenden Kessel rührte und eine Flut von Erinnerungen wach hielt. Nach einem herzhaften Mahl aus Eintopf und Brot ließ sich Jerana auf einem Hocker nieder, während Margaret ihre Ausrüstung aufbaute. Die alte Frau war völlig entspannt, nachdem ihr die Geräte erklärt worden waren; sie grinste und zeigte ihr Zahnfleisch. Margaret merkte, dass sie freudig erregt war von der vielen Aufmerksamkeit, und freute sich, dass sie der Alten eine Freude bereiten konnte.
Rafaella nahm eine Gitarre von der Wand und stimmte ohne Schwierigkeiten die Saiten. Es war ein altes Instrument und gehörte eigentlich in ein Museum. Jerana kicherte. »Dieser junge Everard war mal hier vor ‘ner Weile und wollte meine alte Freundin mit nach Thendara nehmen, um sie in die Sammlung von seinem Vater zu hängen. Ich habe ihm gesagt, seit mein Mann tot ist, ist sie der einzige Gefährte, den ich habe.«
Dann begann sie mit einer klaren, festen Stimme zu singen, die ihre Jahre Lügen strafte. Margaret versank derart in die Musik, dass sie nicht bemerkte, wie ihr Tränen über die Wangen liefen. Die Worte brachten ein Gefühl an die Oberfläche, namenlos und kostbar, und als das Lied vorüber war, empfand sie zum ersten Mal seit Tagen Frieden.
Als Jerana ihren Gesang beendete, war es schon spät, und Margaret hatte zwei Dutzend Stücke aufgenommen. Die alte Frau führte sie zu einem großen Bett im hinteren Teil der Hütte, und Margaret verbarg ihr Unbehagen, es mit einer zweiten Person teilen zu müssen. Es spielte auch keine Rolle. Sie konnte kaum noch die Augen aufhalten. Rafaella gähnte ebenfalls. Sie zog ihre Stiefel aus, riss sich Jacke und Hose vom Leib und kroch unter die Bettdecke, also tat Margaret es ihr gleich. Sie schlief beinahe augenblicklich ein, und ausnahmsweise hatte sie keine Träume.
10
Margaret erwachte beim ersten Tageslicht mit einem Gefühl der Beklemmung und einem Summen wie von Bienen in einem Ohr. Noch ganz benommen wollte sie sich umdrehen und stellte fest, dass Rafaella den Kopf an ihre Schulter gebettet hatte. Sie
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