Darkover 25 - Der Sohn des Verraeters
einmal die Hälfte, denn er wirkte verwirrt und unruhig.
Domenic wollte dem Spiel der Puppen nicht länger zusehen und wünschte, er wäre hundert Meilen weit weg.
Um sich herum spürte er die Menge vor und zurück wogen.
Die fröhliche Stimmung, die noch vor wenigen Minuten geherrscht hatte, war verflogen. Ein Raunen erhob sich, aus dem in kürzester Zeit empörte Schreie wurden. Witze auf Kosten einer imaginären Bewahrerin zu machen, war offenbar in Ordnung, den Herrscher Darkovers zu beleidigen, hingegen nicht.
Als Domenic aufsah, erkannte er, dass den Puppenspielern nicht bewusst war, was sich vor ihrem Wagen tat. Die Menge wurde nun sehr wütend. Dann ging alles so rasch, dass die Strippenzieher vom Fahrenden Volk völlig überrumpelt wurden. Ein halbes Dutzend stämmiger Männer, ein wenig betrunken vielleicht, stürmten mit schwerfälligen Bewegungen nach vorn. Einer packte die beleidigende Puppe und zerrte mit einem heftigen Ruck daran. Die Fäden rissen.
Diese Tat ließ das restliche Publikum in Aktion treten. Im Nu war der Wagen von zwanzig aufgebrachten Männern umzingelt, einer zog die Tür am hinteren Ende auf und kletterte hinein. Andere rissen an der bemalten Leinwand oder den übrigen Figuren, und der Aufruhr breitete sich durch die ganze Menge aus. Die Bürger der Stadt stürzten sich wütend auf das Fahrende Volk, sie ergriffen den unschuldigen Jongleur und jeden anderen, der bunte Gauklerkleidung trug, und an einem halben Dutzend Stellen im Hof brachen Faustkämpfe aus.
Der Mann zerrte die schreiende Illona aus dem Wagen und schlug ihr heftig ins Gesicht. Ein anderer versuchte das Mädchen von dem Angreifer wegzuziehen, und das Geschrei zwischen den beiden mündete in einen weiteren Faustkampf.
Zwei Wachtposten versuchten die Ordnung wiederherzustellen, aber es waren bereits zu viele Kämpfe im Gange, als dass sie den wütenden Mob noch bändigen konnten. Die Leute wollten jetzt Blut sehen, und es spielte keine große Rolle mehr, wessen Blut es war.
Domenic nutzte erneut seine geringe Größe aus, flitzte zwischen mehreren tobenden Männern hindurch und packte Illona an der Hand. Sie versuchte sie zurückzuziehen, bis sie erkannte, dass er ein Retter war und kein Feind. »Komm,« rief er, »hier bist du nicht sicher.« Illona blickte sich um, ihre Augen waren vor Entsetzen geweitet, und dann stürmten sie durch das Hoftor hinaus in das Halbdunkel dahinter. Als sie einen kurzen Schmerzensschrei ausstieß, blieb Domenic stehen. Dann erst bemerkte er, dass sie keine Schuhe trug und sich den Zeh an einem Stein angestoßen hatte. Sie hatte nichts weiter an als ihr Unterhemd und einen Schlüpfer, und Domenic konnte erkennen, wie sich die kleinen Brüste unter dem dünnen Gewebe hoben und senkten, während Illona ängstlich keuchend neben ihm stand.
Im ersten Moment war er so verdutzt, dass er zu keiner Bewegung fähig war. Illona stand einfach nur neben ihm und schnappte erschrocken nach Luft. Dann riss er sich den Umhang von den Schultern und legte ihn um sie. Einen Augenblick später tauchte Rafaella aus der Dunkelheit auf, und Domenic kam zu Bewusstsein, dass erst Sekunden vergangen waren, seit er das Mädchen aus dem Getümmel gezogen hatte.
Er war noch nie so froh gewesen, die Entsagende zu sehen.
Der Tumult der Kämpfenden begann aus dem Hof zu drängen. Rafaella packte die beiden an den Schultern und führte sie zur Rückseite des Gebäudes. Je weiter sie sich entfernten, desto mehr ließ der Radau nach, und schließlich hielt die Entsagende an einer nicht einsehbaren Stelle an. »Ich glaube, wir bleiben lieber außer Sichtweite, bis sich alles ein wenig beruhigt hat«, schlug sie mit leicht zittriger Stimme vor. »Wie konntest du nur so etwas tun, Kind?« »Ich hab doch gar nichts getan«, fauchte Illona zurück. Ihre Angst ging in Zorn über, und sie wischte sich eine verfilzte Haarsträhne aus dem verschwitzten Gesicht. Sie funkelte die Frau wütend an, ohne Furcht, ihr zu widersprechen.
»Unter nichts verstehe ich etwas anderes, als Regis Hastur lächerlich zu machen. Er ist noch keine zehn Tage tot! Und warum bist du nicht angezogen?«, fragte Domenic und ließ allen Zorn in seine Worte fließen.
Illona zuckte mit den Achseln und zog fröstelnd den Umhang fester um ihren Körper. »Es wird sehr heiß im Wagen, und eng ist es dazu. Ich wäre patschnass, wenn ich alles anbehalten würde. Und was die Puppe betrifft – die Hasturs sind doch nur ein Haufen Schmarotzer.« Zu Domenics
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