Darkyn: Versuchung des Zwielichts (German Edition)
entfernten sich.
Alex machte es nichts aus, mit Cyprien allein zu sein. Das Miststück und wahrscheinlich auch die ganze Welt hatten sich entfernt. Sie konnte jetzt Michael Cypriens Duft riechen, und er war wie seine Augen, erschreckend, verändert. Wie eine Rose, die ihre dicken Blütenblätter öffnet und ein geheimnisvolles Herz enthüllt. Er zog an Alex wie unsichtbare chirurgische Klammern, die aus ihrer Brust und ihrer Hüfte gezogen wurden. Seine Augen schienen bodenlose Schächte aus hellem Gold zu sein, die sich in seinen Schädel hinein unendlich ausdehnten, wie diese beiden merkwürdigen Löcher, die sie gesehen hatte, endlos und dunkel und alles Licht aufsaugen d …
Seine Hände zitterten immer noch, als er Alex’ Gesicht in seine Hände nahm. » Pardonnez-moi, chérie .«
Es machte ihr nichts aus; er war sehr sanft. Sein Atem überwand die kurze Distanz zwischen ihren Mündern, und seine merkwürdige Süße (kandierte Rosen?) öffnete ihre Lippen. Er lispelte ein wenig, aber das lag vielleicht daran, dass ihm zwei enorme Fangzähne gewachsen waren.
Komisch . Sie runzelte die Stirn, als sein weißes Haar ihre Wange kitzelte. Ich kann mich gar nicht erinnern, ihm die gemacht zu haben.
Dann drehte er ihr Gesicht zur Seite und biss sie mit diesen Zähnen.
John Kellers Zimmer im Wohnbereich des Pfarrhauses erinnerte an eine nackte, enge Gefängniszelle. Es gab nur ein Bett, einen Nachttisch und ein winziges Fenster, dessen Glas schwarz angemalt war, damit niemand hineinschauen konnte. Die einzige Dekoration war ein altes Holzkreuz, das über dem Bett an der Wand hing. Sein Orden erlaubte keinen persönlichen Besitz, deshalb enthielt der winzige Schrank nur Johns Anzüge und seine Messornate.
Es war schwer gewesen, alles abzugeben, was Alexandra und die Kellers ihm während der Jahre geschenkt hatte n – das Straßenkind in ihm war süchtig nach Geld und allem, was er dazu machen konnt e – , aber John hatte alles zurückgelassen. Er war in das Priesterseminar in dem leidenschaftlichen Glauben an das eingetreten, was sein Mentor ihm gesagt hatte: Christus ist alles, was du jemals brauchen wirst .
Außer Christus hatte er nur ein paar Kleidungsstücke und dieses Zimmer, das von einer nackten Fünfzehn-Watt-Glühbirne beleuchtet wurde, die in eine Fassung in der Mitte der Decke eingeschraubt war. Nicht genug, um gut zu sehen oder Strom zu verschwenden. Nicht genug, um die Schatten zu vertreiben, die darauf warteten, ihn zu verschlingen.
John machte das nichts aus, nur nachts. Unter seinem Kopfkissen lag eine kleine, aber sehr hell leuchtende Taschenlampe, und in den meisten Nächten schlief er mit ihr in der Hand ein. Er brauchte sie für die schlimmsten Momente, wenn er aus dem Schlaf schreckte, sicher, dass er eine Hand fühlte, die nach ihm griff, oder eine kalte Messerklinge. Er hatte seine Angst vor jedem verheimlicht, und nur Audra hatte gewusst, wie schlimm sie war. Sie war diejenige gewesen, die verstanden hatte, dass er keine Angst vor der Dunkelheit hatte, sondern davor, was darin lauerte. Sie hatte ihm seine erste Taschenlampe geschenkt.
Du machst sie an und siehst dich im Zimmer um, wann immer du willst, John Patrick. Dann sagst du dieses Gebet: »Matthäus, Markus, Lukas und Johannes, segnet dieses Bett, in dem ich schlafe. Mutter Maria, die du mich mit deinem Licht führst, beschütze mich in der Nacht.«
Im Morgengrauen des fünften Tages, nachdem seine Schwester verschwunden war, träumte er. Nicht von Alex oder den schlimmen Jahren, bevor die Kellers sie aufgenommen hatten.
In seinem Traum lief John wieder durch Raul Pompéia auf der Suche nach Maria.
Vom Dorf in die Stadtgemeinde versetzt zu werden, hatte ihm nichts ausgemacht; er war bei den schüchternen, zurückgezogenen Eingeborenen nicht weitergekommen und hoffte, dass er in den Slums mehr Erfolg haben würde. Eine Zeit lang war das so, vor allem, als man ihm die Verantwortung für die zwölf Straßenwaisen übertrug, die von der Mission betreut wurden. Sicher, ihnen war das Essen wichtiger als das Evangelium, das er ihnen zu den Mahlzeiten vorlas. Rom war nicht an einem Tag erbaut worden, und so schnell schuf man auch keine guten Christen. Er konnte das aus persönlicher Erfahrung bestätigen.
Nein, alles war gut gelaufe n – sehr gut soga r – bis zu dem Tag, an dem die elfjährige Maria verschwunden war.
Zuerst weigerten sich die anderen Kinder, John zu sagen, wo das kleine Mädchen hingegangen war. Als er ihnen
Weitere Kostenlose Bücher