Darkyn: Versuchung des Zwielichts (German Edition)
spannte seine Waffe.
So war es also, wenn man dem Tod ins Auge blickte. »Ich bin Ärztin, keine Schlächterin.« Alex verschränkte die Arme vor der Brust. »Ich werde es nicht tun. Na los, schießen Sie schon.«
»Er wird sich nicht bewegen«, sagte Eliane. Sie zog Alex’ Arme wieder auseinander und streifte ihr neue Handschuhe über. »Er wird sich in einen Trancezustand versetzen, bis wir fertig sind.« Sie hielt ihr eine Gesichtsmaske hin. »Sie müssen uns vertrauen, Dr. Keller. Wir wissen, was wir tun.«
Philippe gab Alex einen hübschen kleinen Stoß in Richtung Tisch.
Sie setzte sich in Bewegung und dachte, dass sie sich mit einem Skalpell den Weg hier raus freikämpfen würde. Doch als sie Cyprien untersuchte, schien er tatsächlich bewusstlos zu sein; Puls und Blutdruck waren niedrig, die Atmung normal und gleichmäßig. Es gab einige Ärzte, die dafür warben, Patienten für kleinere Eingriffe wie die Entfernung der Weisheitszähne in Hypnose zu versetzen.
Aber sie würde den Kopf dieses Mannes rekonstruieren.
Die Blondine nahm das Tuch von dem Instrumententablett. »Sollen wir anfangen?«
Schweiß lief Alex unter ihrem Kittel über den Rücken, und ihre Hände zitterten so heftig, dass sie den Sauger nicht hätte halten können. Trotz Cypriens Trancezustand, trotz aller Beteuerungen seiner Assistentin, wusste sie, dass es falsch war, und ihr Körper rebellierte.
»Es tut mir leid. Das hier widerspricht allem, was ich als Ärztin gelernt habe. Sehen Sie sich meine Hände an.« Sie zeigte sie der Blondine. »Verstehen Sie nicht? Wenn ich jetzt versuche, ihn zu operieren, dann bringe ich ihn um.«
Etwas berührte ihren Nacke n – eine große, harte Han d – , und ein merkwürdiges, kitzelndes Gefühl begann sich in ihrem Schädel auszubreiten.
Einen Moment lang glaubte Alex, auf einem Feld mit hohem, reifem Korn zu stehe n … Weizen ? … und die Sonne auf ihren Schultern zu spüren. Etwas Schweres lag in ihren Händen und auf ihrer Schulter. Das Bild verschwand, aber der Geißblattduft wurde überwältigend. Die raue Stimme eines Mannes sprach in leisem, schnellem Französisch.
»Sie besitzen die Fähigkeit«, murmelte Eliane, »ihn zu heilen. Sie werden es tun. Ihre Hände werden nicht zittern. Sie werden dem Meister helfen.«
Alex’ Augen weiteten sich, als sie sah, wie sich ihre jetzt vollkommen ruhigen Hände ausstreckten und ihre eigene Stimme sagte: »Skalpell.«
Angst und Zweifel waren einfach verschwunden, als sie zu operieren begann.
Cypriens Narbengewebe musste einzeln entfernt werden, aber sie wusste, dass die durchtrennten Blutgefäße sich selbstständig schließen würden und dass die Hautlappen an der jeweiligen Stelle heilen würden. Sie testete eine Theorie, indem sie eine kleine Wulst formte, wartete, bis sie geheilt war, und dann die Unterseite aufschnitt und die Stelle, an der sie platziert werden sollte. Als beide Seiten bluteten, presste sie sie schnell zusammen. Bei der Schnelligkeit seiner Heilung fügten sie sich beinahe sofort zusammen.
» Oui «, flüsterte Cypriens Assistentin.
»Mund halten.« Mit skrupelloser Effizienz entfernte Alex Cypriens formloses Gesicht, schob es aus dem Weg und fing an, die massiven Schäden an seinem Schädel zu richten.
Deformierte Knochen reichten von seinem Schädeldach bis zu seinem Unterkiefer, aber seine Augen waren intakt, und die Pupillen reagierten auf Licht. Seine Regenbogenhaut hatte eine merkwürdige Farbe, blau mit einem braunen Rand, als wäre Türkis von antikem Gold eingefasst. Ein Teil ihres Verstandes schrie, dass er sehen, hören und definitiv alles fühlen konnte, was sie mit ihm machte.
Etwas anderes hielt sie im RoboDoc-Modus.
Alex erteilte Eliane knappe Befehle, welche Instrumente sie brauchte, während ihre Hände flogen. Die Knochen heilten ein bisschen langsamer als sein Gewebe, aber trotzdem musste sie mit größtmöglicher Schnelligkeit arbeiten. Indem sie herausschnitt und transplantierte, schuf sie neue Oberflächen, die sich unter ihren Fingerkuppen miteinander verbanden und heilten. Es war eher wie das Formen von Marmor als das Operieren von Knochen. Sie baute die Jochbeine wieder auf, die seitlichen Ränder der Augenhöhlen und verstärkte das Nasenbein.
Als Alex die Wangenknochen verlängert hatte und zum Oberkiefer kam, entdeckte sie zwei ungewöhnliche Öffnungen auf beiden Seiten des oberen Gaumens, die angeboren zu sein schienen.
»Er hat zwei Löcher oben in seinem Mund«, sagte sie,
Weitere Kostenlose Bücher