Darling, fesselst du schon mal die Kinder?: Das heimliche Tagebuch der Edna Fry
auch erschrocken; wer weiß das schon bei der heutigen Jugend? –, aber ich bin sicher, sie gewöhnt sich dran.
2. Februar, Mittwoch
Heute Morgen klingelte die Wohlfahrt, aber ich hab’ sie nicht ins Haus gelassen. Letztes Mal wollten sie uns die Kinder zurückgeben.
3. Februar, Donnerstag
War enttäuscht, dass meine erste Stunde in Creative Writing aus Wettergründen abgesagt wurde, aber wenigstens musste ich den Abend nicht völlig abschreiben. All der wunderbare, frisch gefallene Schnee brachte eine romantische Saite in uns zum Klingen, und wir sind raus und haben Schnee-Engel gebaut. Wir konnten zwölf Schneemänner plattmachen, bevor Stephen den Transporter zu Bruch gefahren hat.
4. Februar, Freitag
Sind heute Nachmittag ins Gartencenter gefahren. Gekauft haben wir nichts. Wir tun nur so gern so, als hätten wir einen Garten.
5. Februar, Samstag
Früh aufgestanden. Stephen und ich sind beim Spielplatz vorbei, wo Hugh junior zum ersten Mal bei den Midwich Cuckoos mitgespielt hat, der Mannschaft derUnter-Dreizehnjährigen seiner Schule. Es war wahnsinnig spannend. Ich kenn’ mich bei Fußball ja nicht so aus, aber ich glaube, er hat sich echt gut geschlagen. So gut sogar, dass der Schiedsrichter ihm gesagt hat, er kann sich ausruhen. Nach nur zehn Minuten! Stephen platzte fast vor väterlichem Stolz, zumal Hugh junior auch noch die rote »Mann des Spiels«-Karte bekommen hat. Alles in allem ein herrlicher Spaß. Wir haben sogar bei der Glasgow Wave mitgemacht, das ist eine Art La Ola, die man mit einem Tsunami gekreuzt hat.
6. Februar, Sonntag
Bin heute Morgen vom Klang der Kirchenglocken erwacht. Muss den Kindern noch sagen, sie sollen sie zurückbringen, bevor der Pfarrer was merkt.
7. Februar, Montag
Frage mich manchmal, ob Stephen mich noch so begehrenswert wie früher findet. Heute hat er mich in der Badewanne gesehen, und ich bin sicher, er hat mich in Gedanken angezogen. Vielleicht brauchen wir mehr Zeit für uns, ohne die Kinder, um die Flammen wieder zu entfachen – irgendwas Romantisches wie Rom oder Paris. Vielleicht versteht er den Wink, wenn ich ein paar Prospekte besorge und rumliegen lasse. Wenn nicht, kann ich sie ja zusammenrollen und ihm über die Rübe ziehen …
8. Februar, Dienstag
Jammerschade. Creative Writing wurde schon wieder abgesagt, denn es war eine dunkle und stürmische Nacht.
9. Februar, Mittwoch
Na also, Stephens Traumfänger war ein voller Erfolg. Brangelina hat schon seit einer Woche keine Alpträume mehr. Ich hoffe, das bleibt so, wenn sie sich irgendwann wieder in ihr Zimmer traut.
10. Februar, Donnerstag
Was für ein ungewöhnlicher Tag. Kaum war ich aufgewacht, hatte Stephen mir auch schon die Augen verbunden und mich in seinen Transporter verfrachtet. Normalerweise machen wir so was nie vor dem Mittagessen. Mir kamen schon leichte Bedenken, da küsste er mich sanft auf die Wange und sagte, das wäre mein Valentinsgeschenk. Ich war angenehm überrascht – mich mit einer Augenbinde im Laderaum eines Transporters durch die Gegend zu fahren, ist vielleicht die romantischste Idee, die Stephen je gehabt hat, auch wenn es das Tagebuchschreiben nicht direkt erleichtert.
Nach grob geschätzt sechs oder sieben Stunden und einer Reihe unangenehmer Fragen des Werkstattbesitzers, der Kellnerin im Little Chef und der Polizei erreichte der Transit endlich sein Ziel. Ich spürte, wie meine Augenbindeaufgeknotet wurde, und blinzelte Stephen ins freudestrahlende Gesicht. Als er es endlich vor meiner Nase wegnahm, starrte ich ungläubig durch die Windschutzscheibe. Mein Plan war aufgegangen! Da war er, direkt vor meinen Augen, und ragte übers Dach unseres kleinen Hotels – der Eiffelturm! Und ich musste Stephen nicht mal irgendwas über die Rübe ziehen.
Das Hotel Aznavour ist entzückend – schrecklich französisch,
bien sûr!
Die Wände zieren Gemälde vom Eiffelturm und Toulouse-Lautrec-Drucke in üppigen Goldrahmen. Es gibt sogar ein signiertes Porträtphoto von Edith Piaf – gleich neben dem ewigen Komiker Syd Little. Alles ist ganz so, wie man sich ein Pariser Hotel vorstellt. Madame LaRue, die Inhaberin – eine große, extravagant gewandete Frau und schon nicht mehr die Jüngste –, begrüßte uns mit einer Unmenge feuchter Küsse. So macht man das wohl in Frankreich. Sie gingen jedenfalls mit haufenweise Stoppeln einher. Madame LaRue reichte uns den Zimmerschlüssel und sagte, wir hätten das Prunkgemach am Flurende im
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