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Darling Jim

Darling Jim

Titel: Darling Jim Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christian Mork
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Pub. Er sah aus wie eine Forelle, die man aus dem Wasser gezogen und am Bachufer liegen gelassen hatte.
    »Gibt's dich zweimal, oder tauchst du einfach überall in dieser Stadt auf?«, fragte er mich und setzte sich ohne Aufforderung neben uns. Roisin verdrehte die Augen, bevor ich ihr einen Tritt geben konnte, aber Aoife sprang sofort auf die unerklärliche erotische Ausstrahlung an, die von der Gestalt neben uns ausging. Sie war allgegenwärtig, dass sogar die Hunde draußen unruhig wurden. Aoife begann, sich durch die Haare zu fahren, und so auffällig hatte ich sie das noch nie vor einem Mann tun sehen.
    »Vielleicht warten noch ein paar Doppelgängerinnen draußen.
    Wer weiß?«, schoss ich zurück. Mann, war ich stolz auf mich. »Hältst du so den Benzinschlucker am Leben, oder besteht deine Arbeit darin, täglich einen Schweden aus dem Land zu vertreiben? «
    Er grinste nur.
    Roisin sagte: »Worüber redet ihr eigentlich?«
    »Ein Insiderwitz, Miss«, sagte Jim. Er sah niemanden außer mir so an, wie er es am Vormittag getan hatte. Und noch bevor ich seine Hand berührt hatte, wusste ich, dass ich Finbar heute Nacht mehr als einmal betrügen würde, und fühlte mich beinahe schuldig. Meine Schwestern standen auf und packten ihre Siebensachen zusammen, als hätte ich ihnen ein »Verpisst-euch«-Telegramm geschickt. Aoife zwinkerte. Rosie trank unsere beiden Pints in zwei langen Schlucken aus und verwuschelte mir das Haar, bevor sie ging.
    Nun ruhten die Sirupaugen allein auf mir.
    »Was hast du heute noch so vor?«, fragte ich, aber nur, weil ich sehen wollte, wie seine Pupillen sich bewegten. Ich wusste es ganz genau.
    Und als am nächsten Morgen der Unterricht begann, musste sich die Sphinx alleine um die kleinen Monster in meiner fünften Klasse kümmern.
    Muss ich dir Einzelheiten über diese Nacht erzählen?
    Na ja, es lässt sich wohl nicht vermeiden, auch wenn du dir wahrscheinlich denken kannst, worauf das Ganze hinauslief. Also gut, bringen wir's hinter uns. Aber falls du dir vorstellst, dass er mich auf den Küchentisch warf und mich bestieg, kaum dass ich aus dem Häschen geschlüpft war, dann hast du dich getäuscht. Und schäm dich für deine unanständigen Gedanken! Denn so war es nicht. Jims einzigartiges Talent war, dass er mit traumwandlerischer Sicherheit erahnte, was sein Gegenüber brauchte, sich dann lange, lange zurückhielt, bis die Erfüllung dieser Bedürfnisse schließlich so wertvoll wirkte wie ein Geschenk des Schicksals.
    Wir standen in meiner Küche, und ich machte uns zwei Tassen starken Tee mit Milch. Ich hatte ihn nicht einmal gefragt, ob er überhaupt Tee wollte. Und während ich über Rosies Obsession für Amateurfunk plapperte und darüber, dass Aoife sich in ihrem Taxi wahrscheinlich fühlt wie Robert de Niro in Taxi Driver, blieb er zunächst ziemlich stumm. Er sah sich um, als erwartete er Besuch. Ich linste verstohlen auf mein Spiegelbild in der Fensterscheibe, um meine Frisur zu überprüfen, und erzählte ihm von Moiras neuem Faible für katholischen Nippes. Vielleicht riss ich sogar einen Witz darüber, ich weiß es nicht mehr genau.
    Was ich noch genau weiß, ist, dass er zuerst meinen Nacken berührte.
    Er strich nur ganz leicht darüber, bevor er an mir vorbeiging und es sich bei mir gemütlich machte. Würde so etwas heute passieren, wüsste ich wahrscheinlich, dass er sein Territorium markierte, bevor er zum Sprung ansetzte. Damals fand ich es einfach nur cool, dass er mich nicht sofort gegen die Wand drückte und an seinem Reißverschluss fummelte, wie es Finbar nach unserem ersten gemeinsamen Abendessen getan hatte. Jim verharrte vor meinen Porzellanfiguren und lächelte. Ich wurde rot. Es waren nämlich ziemlich viele ... Souvenirs von Orten, an die ich reisen wollte, wenn ich es irgendwann schaffen würde, diese Stadt hinter mir zu lassen. Aber im Inneren wusste ich, dass das nie geschehen würde.
    Die Freiheitsstatue mit grüner Pseudopatina, das Kolosseum und sogar der verfluchte Eiffelturm standen auf dem Fenstersims neben dem Hurling-Pokal aus Messing, den mein Vater als Junge gewonnen hatte. Mit dem hoch erhobenen Hurley sah er aus wie ein uralter keltischer Krieger. Das hatte er jedenfalls immer erzählt. An meinem Kühlschrank hingen Postkarten aus Mallorca und Fotos von mir und meinen Schwestern. Wir sahen aus wie Hummer mit Sonnenbrand und hielten bunte Cocktails und Zigaretten in den Händen. Peinlicherweise hingen dort auch Bilder des guten alten

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